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Rechtfertigt die Befürchtung, dass der Konflikt zwischen Israel und der Hamas nach Frankreich importiert werden könnte, die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit? Das höchste Verwaltungsgericht in Frankreich will sich am Dienstag zu dieser Frage äußern, mitten in der Kontroverse um ein generelles Verbot pro-palästinensischer Demonstrationen.

Es geht um die Demonstrationsfreiheit in Frankreich. Das höchste Verwaltungsgericht wird am Dienstag, dem 17. Oktober, über das von Innenminister Gérald Darmanin verhängte allgemeine Verbot pro-palästinensischer Versammlungen entscheiden. Der Innenminister hatte das Verbot am Donnerstag verhängt, da er der Ansicht war, dass solche Demonstrationen „wahrscheinlich zu Störungen der öffentlichen Ordnung führen werden“.

Mit diesem strikten Verbot hebt sich Frankreich von anderen westlichen Ländern ab: Tausende Menschen sind in den letzten Tagen in Spanien, England, den Niederlanden oder den USA legal „gegen den israelischen Kolonialismus“ und zur „Unterstützung des palästinensischen Volkes“ aufmarschiert.

„Frankreich trifft seine eigenen Entscheidungen“, sagte der italienische Aussenminister Antonio Tajani, „aber Demonstrationen in einem demokratischen Land zu verbieten, wenn es sich nicht um gewalttätige Demonstrationen handelt, scheint mir nicht richtig zu sein“.

Die französische Regierung befürchtet Ausschreitungen in einem Land, in dem die größte jüdische Gemeinde Europas – etwa 500.000 Menschen – sowie zahlreiche Muslime leben – fast 9% der Bevölkerung im französischen Mutterland (Überseegebiete nicht eingerechnet) sind muslimischen Glaubens oder muslimischer Tradition, was etwa sechs Millionen Menschen entspricht.

Gérald Darmanin gab am Montag bekannt, dass seit den beispiellosen Angriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober bereits 102 Personen wegen antisemitischer Handlungen oder der Verherrlichung von Terrorismus festgenommen worden seien.

Seit dem Angriff wurden in Israel mehr als 1.400 Menschen, zumeist Zivilisten, getötet und die Hamas nahm laut Israel 199 Geiseln gefangen. Die israelischen Vergeltungsmaßnahmen töteten in Gaza mindestens 2.750 Menschen, überwiegend palästinensische Zivilisten, darunter Hunderte von Kindern, wie die örtlichen Behörden berichteten.

Eine pro-palästinensische Vereinigung hat daher nun den Staatsrat im Eilverfahren mit der Richtlinie des Ministers befasst, die ihrer Ansicht nach gegen französisches Recht verstößt, wie Vincent Brengarth, einer der klagenden Anwälte, erklärt. „Das erweckt den Eindruck, dass palästinensische Unterstützung in Frankreich kein Bürgerrecht hat“, „das ist demokratisch problematisch“.

Ein Verwaltungsgericht hatte das Verbot einer Pariser Demonstration am vergangenen Donnerstag angesichts „erwiesener Risiken des Exports von Gewalt“ auf nationaler Ebene und des „Wiederaufflammens antisemitischer Vorfälle“ für gültig erklärt. Dies hatte allerdings Tausende von Demonstranten nicht davon abgehalten, sich dennoch zu versammeln.

In seiner Entscheidung stellte das Gericht jedoch warnend fest: „Dieses umstandsbezogene Verbot kann im Übrigen nicht als grundsätzliches Verbot jeglicher Demonstration mit demselben Grund gesehen werden“.

„Jede Verbotsmaßnahme muss angesichts der Umstände jeder einzelnen Demonstration streng begründet und verhältnismäßig sein“, betont Nicolas Hervieu, Professor für öffentliches Recht. „Man kann nicht generell und absolut verbieten“.

Fanny Gallois, von Amnesty International Frankreich, prangert ihrerseits eine „Behinderung der Meinungsfreiheit“ derjenigen an, die „derzeit friedlich ihre Unterstützung für das palästinensische Volk zum Ausdruck bringen wollen“.

Sie betont jedoch: „Aufrufe zum Hass und diskriminierende Äußerungen sind natürlich nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt“.


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