Tag & Nacht


Am 21. Juli 2025 haben 25 Staaten, darunter Frankreich, Großbritannien, Kanada, Japan und Australien, in einer ungewöhnlich scharf formulierten gemeinsamen Erklärung ein sofortiges Ende des Gaza-Krieges gefordert. Die Staaten rügen nicht nur die hohe Zahl ziviler Opfer, sondern kritisieren explizit das israelische Modell der humanitären Hilfe als „gefährlich“ und „entmenschlichend“. Sie werfen Israel vor, durch die militärisch kontrollierte Verteilung von Hilfsgütern die Zivilbevölkerung zu gefährden und internationales Recht zu missachten.

Der Vorstoß ist Ausdruck wachsender internationaler Ungeduld gegenüber der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen, die seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 andauert und in eine immer tiefere humanitäre Krise mündet. Besonders die Eskalation im Umfeld der „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF), einer von Israel unterstützten Initiative zur Hilfsgüterverteilung, steht im Zentrum der Kritik: Laut UN-Angaben kamen bei Zwischenfällen an Hilfskorridoren bisher über 800 Palästinenser ums Leben – zumeist durch Schüsse israelischer Soldaten in chaotischen Szenen rund um LKW-Konvois.

Ungewöhnliche Allianz – und bemerkenswerte Abwesende

Die Erklärung wurde von westlichen Demokratien ebenso unterzeichnet wie von asiatisch-pazifischen Staaten und mehreren lateinamerikanischen Ländern. Neben Frankreich und Großbritannien gehörten auch Kanada, Neuseeland, Japan, Südkorea, Brasilien, Chile und Südafrika zu den Unterzeichnern. Deutschland und die Vereinigten Staaten hingegen fehlen – ein Umstand, der in Berlin innenpolitisch Wellen schlägt. Während Ex-Außenministerin Annalena Baerbock in der Vergangenheit wiederholt die humanitäre Notlage in Gaza thematisiert hatte, scheint sich die heutige Bundesregierung bewusst gegen eine offene Konfrontation mit Israel entschieden zu haben.

In den deutschen Medien ist von einem „Schwenk in der Nahostpolitik“ die Rede, der auf eine engere Abstimmung mit Washington hinweist. Die USA ihrerseits halten weiter an der Unterstützung Israels fest, auch wenn Präsident Trump zuletzt betonte, Israel müsse mehr tun, um zivile Opfer zu vermeiden. Die Nichtunterzeichnung der Erklärung wird international als Zeichen dafür gewertet, dass sich die transatlantische Achse in dieser Frage immer weiter von einem breiten Konsens entfernt.

Kritik an Israels humanitärer Praxis

Im Zentrum der Kritik steht das israelische Konzept der sogenannten „koordinierten humanitären Korridore“. Diese werden militärisch gesichert, häufig nur kurzfristig geöffnet und setzen die Zivilbevölkerung einer hohen Gefahr aus – insbesondere durch panikartige Massenbewegungen, fehlende Organisation und immer wieder eskalierende Gewalt. In der Erklärung heißt es, Israel verletze mit dieser Praxis „elementare Prinzipien des humanitären Völkerrechts“ und mache Hilfe „zur Waffe politischer Kontrolle“.

Die Vereinten Nationen haben wiederholt auf den prekären Zustand im Gazastreifen hingewiesen. Nach Schätzungen von OCHA (UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) sind derzeit über 80 Prozent der Bevölkerung auf externe Hilfe angewiesen. Zahlreiche Hilfsorganisationen, darunter Ärzte ohne Grenzen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, haben ihre Arbeit zum größten Teil eingestellt – zu gefährlich seien die Bedingungen vor Ort.

Geiselfrage als diplomatischer Hebel

Neben der Kritik an Israel enthält die Erklärung auch eine unmissverständliche Forderung an die Hamas: Alle seit dem Überfall vom Oktober 2023 verschleppten Geiseln müssten „sofort und bedingungslos“ freigelassen werden. Diese Ausgewogenheit im Ton ist diplomatisch bewusst gewählt, ändert aber nichts an der faktischen Stoßrichtung des Appells, der sich primär an die israelische Regierung richtet.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu wies die Erklärung als „einseitig und moralisch verfehlt“ zurück. Es sei „zynisch“, Israel für zivile Opfer verantwortlich zu machen, während die Hamas gezielt Zivilisten als Schutzschilde missbrauche. Zugleich kündigte das israelische Verteidigungsministerium an, die militärische Kontrolle über die Hilfskorridore weiter zu verschärfen – ein Signal, dass auf Konfrontation statt Konzilianz hindeutet.

Die internationale Reaktion auf den Konflikt ist gespalten: Während viele Regierungen ein Ende der Kampfhandlungen fordern, unterstützen andere – insbesondere in Osteuropa und Teilen Asiens – Israels Vorgehen oder schweigen öffentlich. In den USA ist die Unterstützung für Israel zwar traditionell stark, doch wächst auch dort die innenpolitische Kritik. Jüngste Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der US-Bevölkerung ein Ende der Kampfhandlungen befürwortet – auch, um die anhaltenden Spannungen im Nahen Osten nicht weiter zu eskalieren.

Wie viel Einfluss die Erklärung der 25 Staaten tatsächlich auf die israelische Politik haben wird, bleibt offen. Doch sie markiert einen diplomatischen Wendepunkt: Die humanitäre Situation in Gaza wird zunehmend zum Prüfstein für die Glaubwürdigkeit westlicher Außenpolitik.

Autor: P. Tiko

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