Tag & Nacht

Bei den bevorstehenden Europawahlen zeigt sich erneut ein bekanntes Bild: Junge Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren zeigen wenig Begeisterung für den Urnengang. Ein aktuelles Ipsos-Umfrageergebnis verdeutlicht, dass weniger als ein Drittel dieser Altersgruppe sicher zur Wahl gehen wird. Dies steht in starkem Kontrast zu den älteren Generationen, bei denen die Beteiligung deutlich höher ist.

An der Pariser Universität IUT Rives-de-Seine, wo Studierende verschiedener Fachrichtungen wie Informatik, Handel und Sozialberufe zusammenkommen, scheint das politische Desinteresse besonders ausgeprägt. Fragen nach dem Wahltermin stoßen auf Unsicherheit oder gar Unwissenheit. „Ist das ein Feiertag oder der Beginn der Olympischen Spiele?“, so lauten einige Antworten. Dass es sich um den Wahltag handelt, überrascht viele.

Laura, eine 20-jährige Studentin, bringt es auf den Punkt: „Ich ziehe es vor, nicht zu wählen. Politik interessiert mich nicht.“ Ähnlich äußert sich Lola, die trotz der Verfügbarkeit von Informationen auf ihrem Smartphone und den sozialen Netzwerken das Gefühl hat, nicht genug über die Kandidaten oder die politischen Inhalte informiert zu sein.

Ein weit entferntes Europa?

Viele junge Menschen, wie Sarah, die bei der letzten Präsidentschaftswahl noch nicht wahlberechtigt war, empfinden die europäische Politik als zu abstrakt und entfernt. „Europa scheint uns weit weg. Es fühlt sich an, als ob unsere Stimme im großen Ganzen untergeht. Wie kann eine so große Verwaltung etwas für uns, kleine französische Bürger, ändern?“, fragt sie.

Doch es gibt auch gegenteilige Meinungen. Adlan beispielsweise, der ursprünglich nicht wählen gehen wollte, überdenkt seine Entscheidung nach einem Gespräch mit seinem politisch sehr engagierten Freund Louis. „Vielleicht sollte ich mich doch mit dem Programm auseinandersetzen. Ja, es wäre das erste Mal, dass ich wähle.“

Engagement trotz allem?

Laure Niclot, die Präsidentin der überparteilichen Organisation „Les Jeunes Européens“, ist optimistisch. Sie betont, dass fast die Hälfte der Jugendlichen sich in Vereinen engagiert, Petitionen unterzeichnet oder an Demonstrationen teilnimmt. „Es ist falsch zu sagen, dass die Jugend nicht engagiert ist“, stellt sie klar.

Die Herausforderung für die politischen Parteien liegt darin, den jungen Wählern Angebote zu machen, die sie wirklich ansprechen und ihnen einen Grund geben, wählen zu gehen. Bruno Cautrès, ein Politikwissenschaftler, schlägt vor, dass die Kampagne Themen behandeln sollte, die direkt die jungen Menschen ansprechen, wie etwa die Ausweitung der Möglichkeiten, die Europa jungen Menschen bietet.

Die Herausforderung für die Demokratie

Ein hohes Maß an Wahlenthaltung bei den Europawahlen ist laut Cautrès problematisch für die Demokratie. „Es ist entscheidend für die Erneuerung der demokratischen Kultur, dass die neuen Generationen, die in das Wahlalter eintreten, teilnehmen und am Wahltag konkret durch ihre Stimme sprechen.“

Die bevorstehenden Wahlen bieten eine Gelegenheit, diese Diskussionen zu vertiefen und möglicherweise eine neue Generation von Wählern zu mobilisieren. Nur durch das Verständnis und die Ansprache der spezifischen Bedürfnisse und Interessen junger Menschen kann eine stärkere Beteiligung erreicht werden. Dies bleibt eine fortwährende Aufgabe für alle Beteiligten in der politischen Landschaft Europas.


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