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Geopolitische Unsicherheiten, Klimaerwärmung, Wohnungsnot… Die Menschen in Frankreich bekommen immer weniger Kinder. Ein seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie dagewesener Geburtenrückgang, die die Alterung der Bevölkerung beschleunigt. Das ist Gift für das Gleichgewicht des Rentensystems. Frankreich gehört jedoch nach wie vor zu den Ländern mit der höchsten Geburtenrate in Europa.

Im vergangenen Jahr wurden in Frankreich 726.000 Babys geboren. Das war der niedrigste Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Nachdem die Zahl der Geburten 2022 einen seit 1945 nicht mehr erreichten Tiefststand erreicht hatte, fiel sie in den ersten acht Monaten des Jahres 2023 um weitere 7 %, wie aus einer am 28. September veröffentlichten Studie des amtlichen Statistikinstituts Insee hervorgeht.

„Wenn sich dieser Trend fortsetzt, dürfte die Zahl der Geburten im Jahr 2023 unter die symbolische Marke von 700.000 fallen“, kommentierte Chloé Tavan, Leiterin der Abteilung für demografische Erhebungen und Studien beim Insee, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Didier Breton, Professor für Demografie an der Universität Straßburg und assoziierter Forscher am Institut national d’études démographiques (Ined), stimmt dem zu: „Das Jahr 2023 könnte einen neuen historischen Tiefstand markieren, einen echten Absturz“.

Eine niedrige Geburtenrate führt zwangsläufig zu einem Phänomen der demografischen Alterung. Und dies wiederum führt zu Folgen, die antizipiert werden müssen, wie zum Beispiel die Anpassung der Rentensysteme oder auch die Betreuung des immer höheren Anteils der älteren Menschen im Vergleich zur übrigen Bevölkerung.

Mit einer durchschnittlichen Kinderzahl pro Frau von 1,8 stand Frankreich im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn bislang recht gut da. Jetzt bewegt sich das Land jedoch in Richtung eines in Europa zu beobachtenden Durchschnitts von 1,5 Kindern pro Frau.

Frankreich nähert sich den anderen EU-Ländern an, in denen die Geburten zwischen 2021 und 2022 im Durchschnitt ebenfalls um 5 % zurückgingen: -2 % in Spanien und Italien, -7 % in Deutschland, -8 % in Polen.

Inflation, Wohnungsnot und Krieg in der Ukraine
Der sinkende Trend der Geburtenrate in den letzten zehn Jahren war nicht immer kontinuierlich. Seit 2011 geht die Zahl der Geburten jedes Jahr zurück, aber 2021 erlebte Frankreich einen leichten Aufschwung. 2021 war das Jahr der Lockdowns im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie.

Derzeit könnten die Inflation und die Wohnungsnot den Wunsch nach einem Kind beeinflussen, aber auch geopolitische und klimatische Unwägbarkeiten sind eine zusätzliche Quelle der Unsicherheit für die Zukunft.

Dies gilt umso mehr, als einige junge Franzosen sich inzwischen als „childfree“ oder „ginks“ bezeichnen und sich gegen Kinder entscheiden, um die Umwelt zu schonen. Innerhalb von etwa zehn Jahren hat das Thema der Kinderlosigkeit in der Gesellschaft seinen Weg gefunden. Die französischen Jugendlichen sind dank der immer weiter verbreitenden Veröffentlichung von Studien über die globale Erwärmung und des Auftauchens von Fragen der Schädigung der biologischen Vielfalt in der öffentlichen Debatte besser informiert und entscheiden sich deshalb immer öfter gegen eigene Kinder.

Die niedrigen Geburtenraten könnten auch an der hohen Unfruchtbarkeit in der Welt scheitern, die inzwischen einen von sechs Menschen betrifft und kein Land verschont, so die WHO, die Unfruchtbarkeit als „großes Gesundheitsproblem in allen Ländern und Regionen der Welt“ bezeichnet.

Bei Männern haben Studien einen Rückgang der Fruchtbarkeit von 50 % nachgewiesen, was mit dem Einsatz Pestiziden und einer sich verschlechternden Umwelt in Verbindung gebracht wird.


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