Tag & Nacht

Da überall Temperaturrekorde gebrochen werden, könnte dieser Juli der heißeste Monat aller Zeiten werden. Die seit etwa zehn Jahren zunehmende Erwärmung des Mittelmeers bereitet Wissenschaftlern große Sorgen: Die Veränderungen schreiten viel schneller voran als erwartet.

Über 42 °C auf Korsika, 45 °C in Katalonien und Temperaturrekorde auch in Okzitanien in der vergangenen Woche mit über 40 °C in den Ostpyrenäen. Unter dieser Hitzekuppel leiden die empfindlichen Küstenstreifen des Mittelmeers. Und die vier Departements in Südfrankreich, die auf einer Länge von fast 220 km an das Mittelmeer grenzen, bilden da keine Ausnahme.

Nach dem Hitzesommer 2022 leiden diese Regionen an vorderster Front unter den Folgen der globalen Erwärmung, die Wissenschaftler, Fischer, Einwohner und Badende tagtäglich feststellen und zu spüren bekommen. Die Wissenschaftler sehen die Veränderungen schon seit 30 Jahren. Die Ankunft von neuen Fischen aus wärmeren Meeren, die Zunahme von Quallen, die Veränderung der Winde. Das Mittelmeer wird auch im Herbst und Winter nicht mehr kalt – im Oktober letzten Jahres wurden an einigen Stellen 23 °C gemessen. Die Strömungen und des Wassers verändern sich, was kolossale Auswirkungen auf Flora und Fauna hat.

„Man kann von Alarmstufe Rot sprechen“, stellt Pascal Conan, Forscher für Ökologie und Biogeochemiker am Ozeanologischen Observatorium von Banyuls-sur-Mer, fest. „Sobald sich das Oberflächenwasser erwärmt, verändert sich das Gleichgewicht“, sagt der Forscher und beschreibt damit den unaufhaltsamen Mechanismus der Veränderungen, die von den Küsten bis in die Tiefen des Meeres am Werk sind.

Früher kühlte der Nordwind „Tramontana“ das Wasser in der kalten Jahreszeit das Wasser des Mittelmeeres ab. Da „kalt“ schwerer als „warm“ ist, sank dieses abgekühlte Wasser in die unteren Meeresschichten. „Es ist eine Konvektionsbewegung, die regelmäßig bis auf 400 oder 500 Meter absinkt, aber alle fünf oder sechs Jahre reichte diese Konvektion aus, um das Wasser sogar bis zu einet Tiefe von 2.500 Meter zu kühlen“, wird Pascal Conan von der Zeitung La Depeche zitiert.

Üblicherweise lag im westlichen Mittelmeer das Zentrum dieser Konvektion vor der Küste Okzitaniens, im Golfe du Lion, etwa 160 km von Collioures entfernt. Aber das letzte Mal, dass man dieses Phänomen beobachten konnte, war vor zehn Jahren, im Jahr 2013, so Pascal Conan. Der Effekt ist in jedem Fall beträchtlich. Da die Hitze die Verdunstung beschleunigt, verstärkt sich der Salzgehalt des Wassers und verändert die Strömungen, was problematisch ist. Darüber hinaus wird der gesamte Kreislauf des Lebens gestört. Denn wärmeres Wasser bedeutet, dass das Tiefenwasser weniger mit Sauerstoff versorgt wird und weniger Nährsalze nach oben steigen.

Kaltes Wasser, das absinkt, transportiert außerdem die Nahrung für die Tiefseeflora mit sich. Und davon  hängt die gesamte Nahrungskette ab: Von der Tiefe aus wird in umgekehrter Richtung der Aufstieg von nährstoffbeladenem Wasser und damit die „Blüte“ des Planktons, ausgelöst; das Phytoplankton wird anschließend vom Zooplankton gefressen, das Zooplankton von Garnelen und kleinen Fischen, die wiederum die großen Fische ernähren. All das ist im Mittelmeers heute in Gefahr.

In einigen Gebieten ist dies umso problematischer, da bereits neben 50 % Mikroplankton auch 50 % Mikroplastik im Wasser schweben, warnen Wissenschaftler wie Pascal Conan. „Wir haben es mit einer Anhäufung von Problemen und einer Beschleunigung der Phänomene zu tun“, fasst er zusammen und befürchtet, dass „die Organismen keine Zeit mehr haben, sich anzupassen“.1°C bis +1,5°C im Mittelmeer in den letzten 15 Jahren. „Das ist eine Tatsache. Das ist nicht normal und leider geht die Erwärmung im Meer viel schneller vor sich, als wir vor 30 Jahren geschätzt haben“, sind sich die Wissenschaftler einig.


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