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Die Nachricht scheint fast surreal: In Russland werden weiterhin Citroën-Autos produziert und verkauft, obwohl der französische Automobilhersteller das Land aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine verlassen hat. Ein Blick hinter die Kulissen offenbart eine komplexe Situation mit geopolitischen Verflechtungen und rechtlichen Grauzonen.

Die Fabrik in Kaluga, etwa 200 Kilometer südwestlich von Moskau, war einst ein blühendes Zentrum der Automobilproduktion. Hier wurden unter anderem Fahrzeuge der Marken Peugeot, Citroën und Mitsubishi von etwa 2.700 Mitarbeitern hergestellt. Doch nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und dem Rückzug vieler westlicher Firmen, einschließlich Renault, blieben die Zukunft und das Schicksal der Stellantis-Fabrik, zu der Citroën gehört, ungewiss.

Zwei Jahre lang hörte man wenig über das Schicksal der Fabrik, bis im März 2024 die russische Firma Automotive Technologies ankündigte, dass sie mit der Serienproduktion des Citroën C5 Aircross beginnen werde. Diese Ankündigung kam überraschend, da Citroën offiziell seinen Betrieb in Russland eingestellt hatte. Noch erstaunlicher ist, dass die Fahrzeuge fast identisch mit denen sind, die in Frankreich verkauft werden, abgesehen von einigen Unterschieden bei den Scheinwerfern.

Die Schlüsselkomponenten für diese Fahrzeuge kommen jedoch nicht aus Frankreich, sondern aus China. Der chinesische Automobilhersteller Dongfeng, ein langjähriger Partner von Peugeot und Citroën in China, liefert vorgefertigte Kits nach Russland. Diese Kits enthalten bereits geschweißte und lackierte Teile, die dann in Kaluga nur noch zusammengebaut werden.

Dongfeng ist nicht nur ein großer Spieler in der chinesischen Automobilindustrie, sondern auch staatlich. Dieses Detail fügt eine weitere Ebene der Komplexität hinzu, da sowohl Moskau als auch Peking über die illegale Produktion informiert sein müssen. Angesichts der geopolitischen Lage und der wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen China und Russland ist es unwahrscheinlich, dass Citroën in der Lage sein wird, seine Rechte durchzusetzen, ohne erhebliche diplomatische Verwicklungen zu riskieren.

Die Frage, wie Citroën seine Urheberrechte und Markenansprüche schützen kann, bleibt offen. Ein rechtlicher Kampf in Russland erscheint unter den aktuellen Umständen wenig aussichtsreich. Ebenso problematisch könnte es werden, den Konflikt mit Dongfeng zu eskalieren, insbesondere da Stellantis weiterhin starke Ambitionen in China hat und eine Konfrontation mit der chinesischen Regierung daher riskant wäre.

Diese Situation ist beispielhaft für die Herausforderungen, denen sich globale Unternehmen in einer zunehmend multipolaren Welt gegenübersehen. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit für Unternehmen, nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Risiken in ihre strategischen Überlegungen miteinzubeziehen. Für Citroën und Stellantis könnte dies ein Vorgeschmack auf weitere Herausforderungen sein, insbesondere wenn Dongfeng seine Beteiligungen an Stellantis weiter reduziert und eigene Wege geht. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese komplexe Situation weiterentwickeln wird und welche langfristigen Auswirkungen sie auf die globalen Marktstrategien von Stellantis haben wird.


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