Tag & Nacht

Das ist eine hohe Zahl, aber viel weniger als im Jahr 2022. Im Vereinigten Königreich schaut die Regierung genau auf diese Zahl, da sie versprochen hat, die Kontrolle über die Grenzen zu verstärken.

Das britische Innenministerium zählt mit: 30.000 Ankünfte an der englischen Küste im Jahr 2023 gegenüber 45.000 im Jahr 2022. Das ist ein deutlicher Rückgang, den die regierenden Konservativen natürlich für sich beanspruchen.

Es gibt zum Beispiel fast keine Albaner mehr auf den Booten, die die gefährliche Reise von Frankreich nach England antreten. Ihre Zahl ist um 90% gesunken, was auf ein höchst abschreckendes Abkommen Londons mit Tirana zurückzuführen ist, das die sofortige Abschiebung illegal Eingereister vorsieht. London lobt auch regelmäßig das im Frühjahr mit Frankreich unterzeichnete Abkommen zur verstärkten Überwachung des Ärmelkanals und der Küste.

Für die Gewerkschaft der französischen Grenzpolizei ist der Rückgang der Zahl der Flüchtlinge jedoch nur eine statistische Anomalie, eine optische Täuschung, die nicht mit Maßnahmen der Regierung, sondern eher mit den schlechten Wetterbedingungen zusammenhängt. Vor allem in diesem Sommer wehten starke Winde öfter als gewöhnlich über den Ärmelkanal und hielten die Menschen von der gefährlichen Überfahrt ab. „Wir wären sehr naiv, wenn wir glauben würden, dass sich die Flüchtlingsströme verlangsamen würden“, sagen Mitarbeiter des Grenzschutzes, man sähe Boote, die immer größer und immer stärker würden. Wenn man den Fokus erweitert und die Migranten-Zahlen über einen Zeitraum von fünf Jahre betrachtet, zeigt sich, dass das Jahr 2023 eines der Jahre mit den meisten Überfahrten übder den Ärmelkanal darstellt.

Der britische Premierminister Rishi Sunak wird es also schwer haben, aus den aktuellen Zahlen einen politischen Nutzen zu ziehen, zumal er vor einem Jahr das Versprechen gegeben hatte, die Boote komplett zu stoppen: „Stop the boats“ war sein Slogan, seine politische Priorität.

Vor einem Monat musste Sunak zugeben, dass er keinen konkreten Termin nennen konnte. Rishi Sunak ist der fünfte Premierminister seit dem Brexit-Referendum von 2016, als den Briten versprochen wurde, dass sie die Kontrolle über ihre Grenzen wiedererlangen würden. Als Verfechter einer harten Linie in der Einwanderungspolitik setzt er nun all seine Hoffnungen auf ein Abkommen mit Ruanda, um abgelehnte Asylbewerber dorthin zu verfrachten. Die erste Version des noch von seinem Vorgänger Boris Johnson gestarteten Projekts wurde vom Obersten Gerichtshof Großbritanniens blockiert, eine neue Version des umstrittenen Gesetzes soll noch diesen Monat den britischen Abgeordneten zur Abstimmung vorgelegt werden.

Das Thema ist für den derzeitigen Bewohner der Downing Street umso heikler, als der rechte Flügel seiner eigenen Partei droht, ihn zu stürzen, wenn der Text nicht stark genug ist. Rishi Sunak pokert hoch, da die Konservativen in den Umfragen derzeit weit abgeschlagen sind, während die Einwanderung eines der Hauptthemen der noch in diesem Jahr stattfindenden Parlamentswahlen sein wird. Sunak muss nun den Termin für die Wahlen festlegen. Es besteht die Gefahr, dass er sie so weit wie möglich hinausschiebt, um seine Versprechen halten zu können.


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