Der Tod von fünf Journalisten des Senders Al Dschasira bei einem israelischen Luftangriff am 10. August 2025 hat international Empörung ausgelöst und die Debatte über den Schutz von Medienschaffenden in Kriegsgebieten neu entfacht. Der Angriff traf ein Zelt vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, in dem sich die Reporter aufhielten. Unter den Opfern war der prominente Korrespondent Anas al-Scharif, eine der bekanntesten Stimmen der palästinensischen Kriegsberichterstattung.
Der Angriff und seine Opfer
Nach Angaben von Al Dschasira befanden sich die Journalisten im Einsatz, um über die humanitäre Lage rund um das Krankenhaus zu berichten. Neben al-Scharif kamen die Kameraleute Mohammed Qreiqeh, Ibrahim Zaher, Moamen Aliwa und Mohammed Noufal ums Leben. Insgesamt wurden laut medizinischen Quellen sieben Personen getötet.
Der 28-jährige al-Scharif war seit Beginn des Gaza-Krieges 2023 zu einer zentralen Figur in der internationalen Berichterstattung geworden. Seine Videos und Live-Schalten dokumentierten die Zerstörung in den nördlichen Gebieten und fanden weltweite Beachtung. Für viele war er ein Symbol für journalistische Beharrlichkeit unter Lebensgefahr.
Israelische Rechtfertigung und internationale Kritik
Die israelische Armee (IDF) übernahm die Verantwortung für den Angriff und erklärte, al-Scharif sei ein führendes Mitglied der Hamas gewesen, das Raketenangriffe koordiniert habe. Nach Angaben der IDF stütze sich dieser Vorwurf auf im Gazastreifen sichergestellte Dokumente.
Al Dschasira wies die Anschuldigungen als „gefälschte Beweise“ zurück und sprach von einem „vorsätzlich geplanten Angriff auf die Pressefreiheit“. Internationale Medienrechtsorganisationen wie das Committee to Protect Journalists (CPJ) und Reporter ohne Grenzen fordern unabhängige Untersuchungen. Die UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit, Irene Khan, bezeichnete die israelischen Behauptungen als bislang unbelegt.
Gefährdete Berichterstattung aus Gaza
Der Fall unterstreicht die zunehmend prekäre Lage für Journalistinnen und Journalisten im Gazastreifen. Seit Beginn der Eskalation im Oktober 2023 wurden nach CPJ-Angaben mindestens 186 Medienschaffende getötet, nahezu alle palästinensischer Herkunft. Das Gaza Media Office spricht sogar von über 230 Todesopfern unter Journalistinnen und Journalisten.
Internationale Korrespondenten haben seit 2023 kaum Zugang zum Gazastreifen; die Berichterstattung beruht nahezu vollständig auf lokalen Reportern, die unter ständiger Bedrohung durch Luftangriffe und ohne Schutzgarantien arbeiten. Diese prkäre Informationslage erhöht die Gefahr von Propaganda und erschwert unabhängige Wahrheitsfindung.
Völkerrechtliche Fragen
Der gezielte Angriff auf eine Person, die als Journalist tätig ist, wirft komplexe völkerrechtliche Fragen auf. Die Genfer Konventionen verpflichten Kriegsparteien, Zivilpersonen – darunter ausdrücklich auch Journalistinnen und Journalisten – zu schützen, sofern sie nicht aktiv an Feindseligkeiten teilnehmen. Die Beweislast für eine direkte Kampfteilnahme liegt bei der angreifenden Partei.
Ohne transparente, unabhängige Prüfung der israelischen Vorwürfe bleibt unklar, ob der Angriff als legitimer militärischer Schlag oder als Verletzung des humanitären Völkerrechts zu werten ist. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) untersucht seit 2021 mögliche Kriegsverbrechen in den palästinensischen Gebieten – der Vorfall könnte Teil dieser Ermittlungen werden.
Symbol für einen Informationskrieg
Der Tod von Anas al-Scharif und seinen Kollegen ist nicht nur ein menschliches Drama, sondern auch ein schwerer Schlag für die ohnehin fragile Informationslage im Gazastreifen. In modernen Konflikten sind Journalisten nicht nur Beobachter, sondern häufig selbst Zielscheiben – sei es durch militärische Aktionen oder durch gezielte Diskreditierung.
Der Angriff vom 10. August 2025 verdeutlicht, wie sehr sich die Fronten zwischen physischem Krieg und Informationskrieg vermischen. Je stärker unabhängige Stimmen verstummen, desto leichter können Narrative einseitig geprägt werden – mit Folgen weit über den aktuellen Konflikt hinaus.
Autor: P. Tiko
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!








