Tag & Nacht

Die Kundgebungen gegen die Rentenreform setzen sich auch an diesem Wochenende fort. In Paris versammelten sich am Samstagabend 4.000 Protestierende auf der Place d’Italie. Am Montagnachmittag wird in der Nationalversammlung über zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung abgestimmt werden.

Die Gegner der Rentenreform in Frankreich nutzen auch das Wochenende, um ihrem Ärger mit teilweise von Zwischenfällen überschatteten Protestveranstaltungen Luft zu machen, bevor am Montag ein entscheidender Tag für die Regierung ansteht: Sie muss sich im Parlament zwei Misstrauensanträgen stellen. Aus Angst vor einer Radikalisierung der Proteste verboten die Behörden am Samstag alle Versammlungen auf dem großen Pariser Concorde-Platz, der in der Nähe der Nationalversammlung und des Elysée-Palastes liegt. Dort hatten sich in den Tagen zuvor Tausende von Menschen versammelt und es war am Donnerstag- und Freitagabend zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Die Pariser Demonstranten, laut einer Polizeiquelle etwa 4.000, zogen sich auf den Place d’Italie im Süden der Hauptstadt zurück, wo sie am Samstag erneut ihre Ablehnung der von Präsident Emmanuel Macron angestrebten Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre zum Ausdruck brachten.

Mülltonnenbrände, verwüstete Bushaltestellen, improvisierte Barrikaden… Angesichts der entstehenden Randale beschlossen die Organisatoren jedoch relativ schnell die Auflösung der Demonstration. Laut einer Polizeiquelle wurden 81 Personen festgenommen. Gegen 22:30 Uhr kehrte wieder Ruhe ein. In Lyon wurden 15 Personen nach Zwischenfällen festgenommen, die laut Präfektur von „gewalttätigen Personengruppen“ verursacht worden waren.

Seit der Entscheidung der Regierung am Donnerstag, die Reform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung zu verabschieden, wie es ihr nach Artikel 49.3 der französischen Verfassung erlaubt ist, hat sich die Mobilisierung verhärtet, getragen insbesondere von jungen Aktivisten. Im Vorfeld eines weiteren landesweiten Aktionstages am Donnerstag fanden im ganzen Land Protestversammlungen statt, etwa in Nantes, Lille, Toulon oder Montpellier. „Der Präsident der Republik verfolgt natürlich die Entwicklung der Situation“ genau, hieß es aus dem Umfeld von Emmanuel Macron.

Laut einer vom Journal du Dimanche veröffentlichten Umfrage sank die Popularität von Emmanuel Macron im März auf 28 %, den niedrigsten Stand seit dem Ausbruch der „Gelbwesten“-Krise im Jahr 2019. Laut dieser Umfrage unter 1.928 Personen, die zwischen dem 9. und 16. März, also noch vor dem Abstimmungs-Eklat am Donnerstag, durchgeführt wurde, sind 70% der Bevölkerung mit dem Staatschef unzufrieden.

Parlamentarischen Quellen zufolge werden am Montag ab 16.00 Uhr in der Nationalversammlung zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung von Premierministerin Elisabeth Borne diskutiert und zur Abstimmung gestellt. Die Regierung mithilfe eines Misstrauensantrags zu stürzen ist die letzte Hoffnung der Opposition, um die Rentenreform von Emmanuel Macron doch noch zu Fall zu bringen. Einer der Misstrauensanträge wurde von dem rechtsextremen Rassemblement National eingereicht, der andere von einer kleinen unabhängigen Gruppe mit Unterstützung von Abgeordneten der Linken. Aber selbst wenn sich einige rechtsgerichtete Abgeordnete einem Misstrauensantrag anschließen könnten, scheint die Hürde iner absoluten Mehrheit, die benötigt wird, um die Regierung zu stürzen, schwer zu erreichen zu sein.

Raffinerie in der Normandie gestoppt
Die CGT gab am Samstag bekannt, dass eine komplette Stilllegung der größten Raffinerie des Landes, die sich in der Normandie befindet und von TotalEnergies betrieben wird, begonnen hat. Seit Beginn der Protestbewegung waren zwar die Treibstofflieferungen blockiert worden, aber keine der sieben französischen Raffinerien ist vollständig stillgelegt worden. Die technisch sehr aufwendige Aktion wird mehrere Tage dauern und dürfte nicht unmittelbar zu Treibstoffknappheit führen, könnte aber in anderen Standorten Nachahmer finden. Mindestens zwei weitere Raffinerien könnten ab Montag stillgelegt werden, warnte die Gewerkschaft CGT. Der französische Industrieminister Roland Lescure deutete am Samstag an, dass die Regierung mit der Zwangsverpflichtung von Arbeitern reagieren könnte.

Auch andere Schlüsselsektoren der Wirtschaft sind weiterhin durch Streiks beeinträchtigt, insbesondere das Transportwesen und die Müllabfuhr. In Paris warten noch immer rund 10.000 Tonnen Müll auf den Bürgersteigen auf ihre Abholung. Die Regierung hat bereits begonnen, Personal zu requirieren, um die Abholung zu ermöglichen.

Emmanuel Macron und seine Regierung haben sich für eine Anhebung des Renteneintrittsalters entschieden, um auf die Verschlechterung der finanziellen Lage der Rentenkassen und die Alterung der Bevölkerung zu reagieren. Frankreich ist eines der europäischen Länder mit dem niedrigsten gesetzlichen Renteneintrittsalter.


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