Wer denkt bei Partnerschaft nicht zuerst an Liebe, Vertrauen und gemeinsames Glück? Doch für viele Frauen sieht die Realität anders aus. Laut einer Studie der Ifop in Zusammenarbeit mit dem feministischen Newsletter „Les Glorieuses“ erleben oder erlebten 41% der Frauen in Frankreich wirtschaftliche Gewalt in ihrer Beziehung. Das ist kein Kavaliersdelikt – es ist der Einstieg in einen Teufelskreis von weiterer physischer und psychischer Gewalt.
Was versteht man unter wirtschaftlicher Gewalt?
Die Studie definiert wirtschaftliche Gewalt als Kontrolle, Verarmung durch das Vorenthalten von finanziellen Mitteln bis hin zur völligen Entmündigung der Frauen. Stell dir vor, dein Partner stiehlt dein Geld, sperrt deine Bankkarten oder verbietet dir, ein eigenes Konto zu führen. Diese Szenarien sind für viele Frauen traurige Realität. Erschreckend, nicht wahr?
16% der befragten Frauen haben bereits mindestens einmal in ihrem Leben eine solche Kontrolle ihrer Finanzen durch den Partner erlebt. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Hinter diesen Zahlen verbergen sich Geschichten von Schmerz und Hilflosigkeit.
Das große Schweigen um Schulden und Sparbücher
Wirtschaftliche Gewalt hat viele Gesichter. 17% der Frauen gaben an, dass ihr Partner Schulden in ihrem Namen aufgenommen hat – ohne ihr Wissen. Oder er besteht darauf, dass Investitionen und Vermögenswerte nur auf seinen Namen laufen. Diese art der Manipulation und Kontrolle sind perfide Formen der Unterdrückung.
Interessant ist auch der Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Frau und dem Ausmaß der Gewalt. Verdient der Mann deutlich mehr, steigt die Wahrscheinlichkeit wirtschaftlicher Gewalt auf 27%. Bei Paaren mit gleichem Einkommen liegt sie immerhin noch bei 14%. Was sagt uns das über Macht und Abhängigkeit in Beziehungen?
Ein Teufelskreis der Gewalt
Oft bleibt es nicht bei wirtschaftlicher Gewalt allein. 99% der Frauen, die diese Form der Unterdrückung erleiden, berichten auch von anderen Arten häuslicher Gewalt – ob verbal, physisch oder psychologisch. Es ist eine Spirale, die oft schwer zu durchbrechen ist. Die Plattform „Les Glorieuses“ bietet daher nicht nur Informationen, sondern auch einen Test, um die eigene Situation zu analysieren und ein Tool zur Messung der wirtschaftlichen Gewalt.
Wege aus der Gewalt
Was tun, wenn man selbst betroffen ist? Die erste Anlaufstelle sollte das eigene Umfeld sein – Familie und Freunde können oft unterstützen und eingreifen. Auch ein Gespräch mit der Bank kann helfen, die finanzielle Kontrolle zurückzugewinnen. In akuten Fällen bietet in Frankreich die Nummer 3919 Hilfe für Frauen, die Gewalt erleben. Immerhin 20% der Anruferinnen berichten von wirtschaftlicher Gewalt in ihrer Beziehung.
Manchmal hilft auch der Blick von außen: Eine Freundin, die aufmerksam zuhört, oder ein(e) Berater(in), der/die die Situation nüchtern betrachtet, können neue Perspektiven eröffnen und Mut machen.
Wirtschaftliche Gewalt ist eine stille Bedrohung, die viele Frauen in ihrem täglichen Leben erleben. Es geht um mehr als nur Geld – es geht um Selbstbestimmung und Freiheit. Wer das Bewusstsein für dieses Thema schärft, kann dazu beitragen, dass mehr Frauen den Mut finden, sich aus der Abhängigkeit zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Und letztlich bleibt eine Frage: Wie können wir als Gesellschaft dafür sorgen, dass Liebe und Partnerschaft wieder das werden, was sie sein sollten – ein sicherer Hafen und kein Ort der Unterdrückung? Es beginnt mit Aufmerksamkeit, Unterstützung und dem Mut, hinzuschauen.
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