Tag & Nacht

Eine Untersuchung der „New York Times“ beweist auf die Verantwortung der russischen Streitkräfte für die Massaker in Butscha zu Beginn des Krieges und ermöglichte es, einige der Verantwortlichen für die Übergriffe zu identifizieren.

Die New York Times hat eine umfassende Untersuchung auf ihrer Website veröffentlicht. Es ist das Ergebnis von acht Monaten Arbeit. Der Artikel enthält vernichtende Enthüllungen über die Beteiligung der russischen Streitkräfte an den Massakern, die in den ersten Kriegswochen in Butscha, einem Vorort von Kiew, verübt wurden.

Diese Untersuchung war ein regelrechtes Eintauchen in ein Butscha unter russischer Besatzung. Die Journalisten hatten das Gefühl, die Schrecken so zu erleben, als wären Sie selbst Einwohner der Stadt: verschanzt in ihren Kellern, versteckt hinter ihren Fenstern, bei dem Versuch, die Übergriffe der Armee von Wladimir Putin zu dokumentieren. Die Einwohner waren in gewisser Weise die ersten Ermittler. Sie waren es, die Videos, die sie unter grossem persönlichen Risiko mit ihren Smartphones gedreht hatten, manchmal durch Mauerlöcher hindurch, den Journalisten übergaben. Auch Bilder privater Videoüberwachungskameras wurden zur Verfügung gsetsellt. Es sind allesamt genau datierte, zeitlich abgestimmte und georeferenzierte Blickwinkel auf die berüchtigte Yablonska-Straße.

Das für die Massaker verantwortliche Regiment wurde identifiziert
Die Reportage geht ganz speziell auf verschiedene Ereignisse ein. Da ist zum Beispiel dieser Panzer, der auf eine Frau schießt, die auf ihrem Fahrrad um eine Straßenecke biegt. Männer, die von einem Einwohner von Butscha gefilmt wurden, wie sie auf dem Boden knieten während Soldaten mit ihren Waffen auf sie zielten. Und dann, einige Minuten später, gibt es diese Drohnenbilder, die am selben Ort dieselben Männer zeigen, wie sie leblos auf dem Boden liegen. Alles erscheint insgesamt sehr methodisch zu sein, es handelt sich nicht um Gewalttaten einzelner Soldaten.

Die Journalisten der New York Times konnten genaue Angaben, wie etwa Abzeichen auf den russischen Uniformen, die aufgemalten Markierungen auf den Panzern, dokumentieren. All diese Details weisen auf das 234. Fallschirmjägerregiment hin, das im Westen Russlands stationiert ist. Und ein weiteres brutales Detail gab absolute Gewissheit: Die Journalisten stellten fest, dass fast jedes Mal, wenn in Butscha ein Zivilist starb, sein Telefon benutzt wurde, um Anrufe nach Russland zu tätigen. Dies geschieht meist in den Minuten unmittelbar nach den Tötungen. Und alle Anrufe gehen an Angehörige von Mitgliedern des 234. Fallschirmjägerregiments!

Russischen Soldaten ist es verboten, ihre privaten Telefone zu benutzen oder ihre Familien anzurufen. Sie nutzten daher die Geräte ihrer Opfer, um mit ihren Frauen oder Eltern zu sprechen.

Die Rolle des „Kameraden Oberst“.
In den Straßen von Butscha sprechen die Soldaten einen „Kameraden Oberst“ an, wie es auf einem Video zu hören ist. Nur hochrangige Offiziere werden auf diese Weise angesprochen. Der einzige, der diese Bezeichnung im 234. Regiment für sich beanspruchen kann, heißt Artyom Golodirov. Er wird dabei beobachtet, wie er an den Leichen von Zivilisten vorbeimarschiert, ohne seinen Männer wegen der Tötungen Vorhaltungen zu machen. Ganz so, als ob er die Massaker gutheißen würde.

Abgesehen von der Ermittlungs- und Dokumentationsarbeit, die zweifellos von Nutzen sein wird, wenn diese Männer eines Tages wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden, ermöglicht es diese Arbeit der Journalisten auch, vielen der Leichen von Zivilisten, die wir alle im Fernsehen auf dieser Straße liegend gesehen haben, Namen zu geben. Der Mann, der tot neben seinem Fahrrad lag, hieß Vladimir Brovchenko und war 68 Jahre alt. Und derjenige, dessen Körper mit einem weißen Tuch auf dem Rücken gefesselt auf der Straße lag, war Oleksander Tschumak…


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