Tag & Nacht

Etwa 12% der Tankstellen können nicht mehr alle Kraftstoffe anbieten. TotalEnergies-Tankstellen werden regelmässig von den Kunden gestürmt. Raffinerien stehen still. 

Seit Anfang September erleben die TotalEnergies-Tankstellen eine wahre Kunden-Flutwelle. Da sie im Durchschnitt derzeit 20 Cent billiger sind als die Konkurrenz, werden sie von den Autofahrern regelrecht gestürmt, sie werden zum Teil täglich leergekauft. Und wegen eines internen Arbeitskampfes um Lohnerhöhungen kommt der Nachschub kaum hinterher. 

Gibt es einen Mangel an Treibstoff?
In Frankreich gibt es rund 11.000 Tankstellen. Bei 12% fehlte am Mittwoch mindestens ein Kraftstoff, wie der Sprecher der französischen Regierung berichtet. Olivier Véran weigert sich jedoch, von „Mangel“ zu sprechen, er zieht es vor, von „vorübergehenden Spannungen“ zu sprechen. Auch die Händler lehnen den Begriff „Mangel“ ab, die Kraftstofflieferungen erleben zwar Schwierigkeiten, aber es kommt immer noch Öl aus den Raffinerien.

Welche Regionen sind am stärksten betroffen?
Die Regionen Hauts-de-France und Grand Est sind am stärksten vom Treibstoffmangel betroffen. Aus der Ile-de-France, der Normandie, der Champagne-Ardenne und dem Departement Bouches-du-Rhône werden Spannungen gemeldet. Südfrankreich bleibt vorerst relativ verschont. In der Region Hauts-de-France ist der Kauf von Kraftstoff in Kanistern seit Mittwoch verboten. Im Departement Pas-de-Calais sind sieben Tankstellen ausschließlich für Notdienste reserviert. Ein Intermarché hat sogar beschlossen, seine Zapfsäulen nur noch nachts von 19.30 Uhr bis 6.30 Uhr zu öffnen.

Ist TotalEnergies der einzige betroffene Tankstellenbetreiber?
TotalEnergies ist der größte Einzelhändler in Schwierigkeiten. Am 6. Oktober hatten 42% der Total-Tankstellen keinen Diesel mehr, 35,9% kein E10 und 32,8% kein Bleifrei 98, wie auf der Website prix-carburants.gouv.fr zu erkennen war. Die übrigen Händler waren weit weniger betroffen:

  • E.Leclerc-Tankstellen (5,2% ohne Diesel; 9,2% ohne E10; 5,8% ohne SP98)
  • Carrefour (5,6% ohne Diesel; 2,7% ohne E10; 4,5% ohne SP98)
  • Intermarché (2,6% ohne Diesel; 2,2% ohne E10; 3,5% ohne SP98)
  • Super U (3,5% ohne Diesel; 8,7% ohne E10; 7,2% ohne SP98)
  • Auchan (5% ohne Diesel; 4,5% ohne E10; 3,6% ohne SP98)

TotalEnergies liefert den Treibstoff, der u. a. an den Tankstellen von E.Leclerc und Super U verkauft wird.

Sind die Rabatte von TotalEnergies an der Situation schuld?
Über den von der Regierung gewährten Kraftstoffrabatt von 30 Cent hinaus, der für alle Tankstellen, Mineralölunternehmen und Supermärkte gilt, bietet TotalEnergies zwischen dem 1. September und dem 30. Oktober einen weiteren Rabatt von 20 Cent an. Da deshalb der Preis pro Liter im Durchschnitt 50 Cent unter dem der Konkurrenz lag, strömten die Autofahrer in Scharen zu den Total-Tankstellen (TotalEnergies, Total access, Elan). TotalEnergies beziffert den Anstieg der Kundenzahlen auf etwa 30%.

Warum kommen die Lieferungen nicht hinterher?
In zahlreichen Ballungsgebieten gehen vielen TotalEnergies-Tankstellen jeden Tag mindestens ein Kraftstoff, manchmal sogar der gesamte Kraftstoff aus. Nur der Tankstellen-Shop bleibt geöffnet. TotalEnergies versichert zwar, dass es die starke Nachfrage der Autofahrer vorausgesehen habe, doch wird die Lieferkette des Ölkonzerns derzeit durch eine interne Streikbewegung stark eingeschränkt. Die Gewerkschaft CGT fordert 10% Lohnerhöhung für das Jahr 2022, weitere Neueinstellungen und einen massiven Investitionsplan. Drei der fünf Raffinerien von TotalEnergies sind von dem Streik betroffen: Le Havre im Departement Seine-Maritime, Feyzein im Departement Rhône und die Lager- und Bioraffinerieplattform La Mède im Departement Bouches-du-Rhône.

Wie reagiert der Staat?
Der Staat hat beschlossen, punktuell auf seine strategischen Treibstoffreserven zurückzugreifen. Frankreich lagert ständig 18 Millionen Tonnen Treibstoff, was dem gesamten Verbrauch des Landes von 90 Tagen entspricht. Die Präfekten haben lokal darum gebeten, die über das ganze Land verteilten Vorräte nutzen zu können. Die betroffenen Mengen und Departements sind nicht bekannt.

Kann mehr Treibstoff importiert werden?
Angesichts von Raffinerien, die aufgrund des Arbeitskonflikts auf Sparflamme laufen, wurde in den letzten Tagen Treibstoff aus dem Ausland in französische Häfen importiert. „Die Versorgung wurde durch konsequente Importe und Neuorganisation der Warenströme verbessert“, sagte Francis Pousse, Vorsitzender des Berufsverbands Mobilians, gegenüber der Zeitung Le Parisien.

Wo stehen die Ölpreise?
Die in der Opec+ zusammengeschlossenen Ölförderländer beschlossen am Mittwoch, ihre Produktion zu drosseln, um die Ölpreise zu stützen. Am Donnerstagabend lag der Preis für Rohöl der Sorte Brent bei 94,24 $. Weit entfernt vom Rekordhoch von 132,60 € zu Beginn des Krieges in der Ukraine, was damals dazu geführt hatte, dass ein Liter Benzin über 2 € kostete. Nach dem Beschluss der Opec-Länder begannen die Preise wieder zu steigen.

Wie lange wird die Knappheit anhalten?
Das Verhalten der Autofahrer spielt dabei eine wichtige Rolle. Indem sie tanken, obwohl sie noch Kraftstoff in ihrem Tank haben, tragen sie zum bestehenden Kraftstoffmangel bei. Fachleute rechnen noch mit mehreren problematischen Tagen. Eine Rückkehr zur Normalität wird für Mitte oder Ende nächster Woche erwartet.

Wie lange wird es noch Rabatte geben?
Der 30-Cent-Rabatt der Regierung wird zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember auf 10 Cent sinken. Ab dem 1. Januar 2023 wird er ganz abgeschafft. Derselbe Zeitplan bei TotalEnergies: Der Rabatt von 20 Cent wird am 1. November auf 10 Cent sinken und am 1. Januar 2023 auslaufen. Anfang 2023 werden die Autofahrer in Frankreich wieder den vollen Preis für Kraftstoff zahlen müssen.


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