Autofreie Innenstädte? Für die einen ein Traum von sauberer Luft, Lebensqualität und lebendigen Plätzen – für andere ein wirtschaftlicher und logistischer Albtraum. In Frankreich sorgt dieses Thema für hitzige Debatten. Doch was steckt wirklich dahinter? Und lohnt sich der Wandel?
Milliarden für das Herz der Stadt
Seit 2018 investiert der französische Staat über das Programm „Action Cœur de Ville“ massiv in die Wiederbelebung mittelgroßer Städte. Insgesamt flossen bisher 5 Milliarden Euro – für bessere Wohnverhältnisse, stärkeren Einzelhandel und mehr Mobilität. 2022 wurde das Programm verlängert, erneut mit 5 Milliarden bis 2026. Mit dabei: mittlerweile 234 Städte im ganzen Land.
Ziel: Stadtzentren attraktiver machen. Und dazu gehört für viele Kommunen auch – weniger Autos.
Was kostet das Ganze?
Wenig überraschend: Der Umbau zur autofreien Innenstadt ist teuer. Neue Verkehrsführungen, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Fahrradwege, Ladezonen für Lieferanten – das alles will geplant, gebaut und bezahlt werden.
Doch es gibt noch eine andere Rechnung.
Sollte Frankreich die sogenannten ZFE – Zonen mit eingeschränktem Zugang für alte, umweltschädliche Fahrzeuge – aufweichen oder streichen, droht eine saftige Rechnung aus Brüssel. Laut Finanzministerium könnten bis zu eine Milliarde Euro an EU-Geldern zurückgefordert werden. Und noch schlimmer: Eine weitere Tranche aus dem nationalen Wiederaufbauplan – satte 3,3 Milliarden Euro – stünde auf der Kippe.
Doch lohnt sich der Aufwand?
Studien zeigen: Ja, und wie! Autofreie Innenstädte ziehen mehr Menschen an – zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Bus. Und wo Menschen flanieren, wird auch eingekauft. In vielen Städten ist der lokale Handel nach der Umgestaltung sogar gewachsen. Immobilienpreise steigen, Cafés und Boutiquen florieren. Die Stadt wird zum Lebensraum – nicht nur zur Durchfahrtsstraße.
Klingt zu schön, um wahr zu sein?
Nicht ganz. Denn der Erfolg hängt stark davon ab, wie die Veränderungen umgesetzt werden.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Detail
Es reicht nicht, einfach ein Fahrverbotsschild aufzustellen. Wenn Menschen ihr Auto stehen lassen sollen, braucht es Alternativen: verlässliche Busverbindungen, sichere Radwege, Park & Ride-Angebote und Lieferlösungen für den Handel. Die Beteiligung der Bürger – von Anwohnern bis Gewerbetreibenden – ist dabei Gold wert.
Denn niemand lässt sich gern vorschreiben, wie er sich fortzubewegen hat. Aber viele lassen sich gern überzeugen – wenn das Angebot stimmt.
Ein guter Bürgermeister weiß: Wer die Herzen der Bürger gewinnen will, muss mehr bieten als autofreie Pflastersteine. Er muss Visionen haben. Und ein Ohr für die Sorgen vor Ort.
Ein Land im Wandel
Frankreich steht an einem Scheideweg. Der Klimaschutz drängt – genauso wie der Wunsch nach lebenswerten Städten. Und auch wenn der Weg dorthin mit Herausforderungen gepflastert ist: Die Chancen überwiegen.
Am Ende bleibt die Frage: Wollen wir Städte, die für Autos gebaut sind – oder für Menschen?
Von C. Hatty
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