Es ist wie ein Déjà-vu: Auf La Réunion breitet sich wieder das Chikungunya-Virus aus, und mit ihm kehren Ängste und Erinnerungen an die dramatische Epidemie von 2005–2006 zurück. Damals erwischte es rund 266.000 Menschen – fast ein Drittel der gesamten Inselbevölkerung. Jetzt ist die Sorge groß, dass sich Geschichte wiederholt.
Die Zahlen steigen – und die Nervosität wächst
Seit dem 23. August 2024 wurden bereits 256 Infektionen gemeldet. Klingt zunächst überschaubar – doch die Verteilung über die Insel und das rasche Tempo der Verbreitung alarmieren die Behörden. Sie haben die Epidemie offiziell als „von geringer Intensität“ eingestuft, aber gleichzeitig den Krisenplan ORSEC auf Stufe 3 gesetzt – ein deutliches Zeichen, dass man die Lage ernst nimmt.
Die betroffenen Regionen melden vermehrt Fieberkranke mit starken Gelenkschmerzen. Und auf der Straße hört man längst den typischen Satz aus der Zeit vor zwanzig Jahren: „On se dit que tout le monde va l’avoir“ – „Man denkt, dass es einfach jeden treffen wird.“
Wenn jede Mücke zum Risiko wird
Chikungunya wird durch die Tigermücke Aedes albopictus übertragen – ein kleiner, schwarz-weiß gestreifter Plagegeist mit großem Schadenpotenzial. Die Symptome sind heftig: hohes Fieber, extreme Gelenkschmerzen, Hautausschläge. Manche Patienten brauchen Wochen, um sich vollständig zu erholen.
Besonders gefährdet: Ältere Menschen, Schwangere, Menschen mit chronischen Erkrankungen. Und weil die Symptome oft mit anderen tropischen Krankheiten wie Dengue oder Zika verwechselt werden, ist eine genaue Diagnose nicht immer leicht.
Alte Maßnahmen, neue Hoffnung?
Die Strategie der Behörden ist bekannt, aber deshalb nicht weniger wichtig: Brutstätten austrocknen, Aufklärung betreiben, Menschen zum Handeln motivieren. Jeder umgekippte Blumentopf, jede Pfütze im Garten kann zur Kinderstube für hunderte Mücken werden.
Man setzt auf bewährte Methoden – Insektenschutzmittel, lange Kleidung, Moskitonetze. Und gleichzeitig auf moderne Mittel wie Drohnen zur Kontrolle entlegener Brutstätten oder digitale Informationskampagnen in den sozialen Medien.
Aber reicht das?
Blick zurück – mit Blick nach vorn
Die Wunden von 2005 sind noch nicht verheilt. Die damalige Epidemie war ein Schock – medizinisch, sozial, wirtschaftlich. Menschen lagen wochenlang krank im Bett, ganze Betriebe mussten schließen. Viele leiden bis heute an den Spätfolgen der Infektion.
Damals fehlte es an Wissen, an Organisation, an Ressourcen. Heute ist man besser vorbereitet – doch die Auseinandersetzung mit dem Virus bleibt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Ein Impfstoff? In der Entwicklung. Aber noch nicht einsatzbereit.
Die Rolle der Gemeinschaft
In La Réunion weiß man: Der Schutz beginnt vor der eigenen Haustür. Nachbarn organisieren sich, Schulen klären auf, Kommunen verteilen Infomaterial. Die Bevölkerung ist alarmiert – aber auch engagiert.
Denn klar ist: Die Mücke kümmert sich nicht um Zuständigkeiten. Nur gemeinsam lässt sich die Kette der Übertragung durchbrechen.
Eine Insel auf der Hut
La Réunion ist schön – aber verletzlich. Die klimatischen Bedingungen, die hohe Bevölkerungsdichte in manchen Regionen und die zunehmenden Wetterextreme machen die Insel besonders anfällig für virale Epidemien.
Chikungunya ist dabei nicht das einzige Problem. Auch Dengue, Zika und andere durch Mücken übertragene Krankheiten tauchen immer wieder auf. Die Insel steht unter permanentem Gesundheitsstress.
Was bleibt – und was kommen muss
Die aktuelle Epidemie ist ein Weckruf. Für die Politik, die Forschung, die Gesellschaft. Es braucht eine langfristige Strategie, die über die klassische Prävention hinausgeht. Dazu gehören:
- gezielte Forschung an Impfstoffen,
- Investitionen in Infrastruktur (z. B. bessere Abwassersysteme),
- engere Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Denn eins ist sicher: Die nächste Welle kommt bestimmt.
Von Catherine H.
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