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Zwischen dem 28. April und dem 4. Mai 2025 blickt Frankreich nach Korsika – denn die Insel führt eine beispiellose Aktion durch, die dem stetig wachsenden Problem illegaler Schusswaffen begegnen soll. Unter dem Namen „Déposons les armes“ („Lasst uns die Waffen niederlegen“) ruft die Präfektur alle Bewohnerinnen und Bewohner dazu auf, nicht deklarierte Waffen oder Munition anonym und straffrei abzugeben.

Eine Insel, doppelt so viele Waffen wie im Rest Frankreichs

Die Zahlen sind alarmierend: Rund 350 Waffen auf 1.000 Einwohner – damit liegt Korsika weit über dem nationalen Durchschnitt. Das erklärt sich teilweise durch die große Jagdtradition der Insel, doch viele Waffen sind auch vererbt, nicht registriert oder illegal in Umlauf. 2024 wurden auf der Insel 18 Morde und 16 Mordversuche bei lediglich 355.000 Einwohnern verzeichnet – trauriger Spitzenwert in Frankreich.

Ein einfacher Weg, Verantwortung zu zeigen

Das Ziel der Aktion ist klar: Waffen aus dem Verkehr ziehen, bevor sie zur Gefahr werden. Deshalb verzichten die Behörden bewusst auf bürokratische Hürden oder Sanktionen. Wer eine nicht registrierte Waffe besitzt – sei es eine Jagdflinte, ein Sportgewehr oder passende Munition – kann diese in einer von acht Sammelstellen in Ajaccio, Bastia, Calvi, Corte, Ghisonaccia, Peri, Porto-Vecchio oder Propriano abgeben. Täglich zwischen 9 und 17 Uhr – diskret und ohne Strafverfolgung.

Klar ist aber auch: Sprengstoff, Kriegswaffen oder Granaten fallen nicht unter diese Aktion. Hier gilt weiterhin: Besitz ist strafbar, Abgabe muss über die Sicherheitsbehörden laufen.

Ein gesamtgesellschaftlicher Appell

Die Präfekten beider Départements betonen, dass es nicht nur um Zahlen geht – sondern um Bewusstsein. Um ein Zeichen gegen die Normalisierung von Waffenbesitz. „Jede abgegebene Waffe ist eine potenziell verhinderte Tragödie“, heißt es aus dem Büro der Präfektur.

Viele Korsen sehen die Aktion auch als Gelegenheit, familiäre Altlasten loszuwerden. Alte Jagdgewehre aus dem Nachlass, einst sorgsam in Schränken verwahrt, heute ohne gesetzliche Grundlage gelagert – sie stehen im Fokus dieser Kampagne.

Vorbeugung statt Repression

Was die Initiative besonders macht: Sie setzt auf Vertrauen. Keine Fragen, keine Protokolle – nur der Wille, gemeinsam ein sichereres Umfeld zu schaffen. Die Behörden verbinden damit einen klaren Präventionsgedanken. Weniger Waffen bedeuten weniger Risiken: für Kinder, für Opfer häuslicher Gewalt, für impulsive Handlungen im Affekt.

Und ja – auch für die Polizei, die in der Vergangenheit allzu oft mit bewaffneten Tätern in teils brisanten Kontexten konfrontiert wurde.

Ein erster Schritt – aber reicht das?

Zweifellos ist „Déposons les armes“ ein mutiger und richtiger Schritt. Doch allein wird diese Maßnahme das Problem nicht lösen. Notwendig bleibt auch eine langfristige Strategie: Aufklärung, bessere Kontrolle beim Waffenverkauf, härtere Sanktionen gegen illegale Importe.

Einwohner, die aus Angst oder Misstrauen bisher gezögert haben, könnten nun den Schritt wagen. Denn selten war es einfacher, Verantwortung zu übernehmen – und dabei anonym zu bleiben.

Ein friedlicher Frühling für eine friedlichere Insel?

Ob diese Initiative Schule macht – auf dem Festland oder in anderen Regionen mit ähnlichen Problemen – hängt vom Erfolg dieser Woche ab. Klar ist: Auf Korsika ist der Wille da, Dinge zu ändern.

Und vielleicht führt der Verzicht auf eine Waffe auch dazu, dass eine andere Entscheidung im Leben anders ausfällt – ruhiger, besonnener, menschlicher.

Von C. Hatty

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