Die Gespräche zwischen den linken Parteien Frankreichs sind in vollem Gange, da die Parlamentswahlen am 30. Juni und 7. Juli näher rücken. Das Abkommen über die „neue Volksfront“ markiert einen ehrgeizigen Versuch, eine historische Allianz wiederzubeleben – doch viele entscheidende Fragen bleiben offen.
Eine Neue Volksfront
Die Anspielung auf die Koalition von 1936 ist kein Zufall. Im Juni haben die wichtigsten linken Parteien ein „Grundsatzabkommen“ unterzeichnet, um ein Wahlbündnis zu bilden, in der Hoffnung, den damaligen Erfolg zu wiederholen. Nach einer eindrucksvollen Ankündigung vor den Büros der Grünen in Paris müssen sich die Parteien nun über mehrere zentrale Punkte einig werden.
Die Frage der Führung
Wer wird diese Union anführen? In Wahlkämpfen kündigt jede Koalition normalerweise ihren Kandidaten für das Amt des Premierministers an. Das Rassemblement National (RN) hat bereits Jordan Bardella nominiert. 2022 bat Jean-Luc Mélenchon seine Anhänger, ihn zum Premierminister zu wählen. In diesem Jahr sieht die Situation anders aus. Mélenchon hat sich etwas zurückgezogen und leitet nun das Institut La Boétie, einen Thinktank von La France Insoumise (LFI). Wer also die „neue Volksfront“ anführen wird, ist derzeit unklar.
Programmatische Herausforderungen
Die linken Kräfte müssen außerdem ihr gemeinsames Programm festlegen, das sich von dem der Nupes im Jahr 2022 unterscheiden wird. In einer gemeinsamen Erklärung kündigten sie ein Programm an, das Maßnahmen für die ersten 100 Tage umfassen soll, um auf „demokratische, ökologische und soziale Notlagen“ zu reagieren. Die verschiedenen Parteien haben ihre eigenen Prioritäten, wobei viele Punkte ähnlich sind. Die Ökologisten setzen auf „einen Klimaplan zur Erreichung der Kohlenstoffneutralität“ und den Kampf „gegen sexuelle und sexistische Gewalt“. Die PS will den „unerschütterlichen Rückhalt für die europäische Integration“ und die „bedingungslose Unterstützung des ukrainischen Widerstands“ gewährleisten. LFI fordert hingegen die „Rückkehr zur Rente mit 60 Jahren“ und die „Abschaffung der Arbeitsmarktreform“.
Aufteilung der Kandidaturen
Ein heikler Punkt ist die Aufteilung der Kandidaturen in den Wahlkreisen. Das Abkommen verspricht „einheitliche Kandidaturen“ in den 577 Wahlkreisen. Es gibt Verhandlungen über die Zuteilung der Wahlkreise, wobei einige fordern, dass die amtierenden linken Abgeordneten erneut kandidieren. Doch das könnte kompliziert werden, da Vorwürfe gegen einige Abgeordnete im Raum stehen. Es gibt Stimmen, die fordern, dass Abgeordnete, die der Gewalt oder Belästigung beschuldigt werden, nicht erneut kandidieren dürfen – wie etwa der Pariser Abgeordnete Julien Bayou und der LFI-Abgeordnete Adrien Quatennens.
Potentielle Konflikte
Die Entscheidungen der Parteiführungen könnten nicht vollständig umgesetzt werden. 2022, als die Nupes gegründet wurde, traten mehrere abweichende Kandidaten an. In der 15. Pariser Wahlkreis beispielsweise trat die Sozialistin Lamia El Aaraje gegen die LFI-Kandidatin Danielle Simonnet an, die im zweiten Wahlgang gewann. Anzeichen deuten darauf hin, dass sich diese Situation wiederholen könnte. Die Sozialisten von Paris und Place publique Paris haben in einer Erklärung mitgeteilt, dass sie „Gespräche mit [ihren] Partnern“ führen, um „Kandidaturen in allen Pariser Wahlkreisen“ zu präsentieren. Unter den neun linken Abgeordneten in der Hauptstadt ist keiner Sozialist.
Die Kandidaturen müssen bis spätestens Sonntag, 16. Juni um 18 Uhr, eingereicht werden. Die Zeit drängt – und die Herausforderungen sind groß. Kann die „neue Volksfront“ diese Hürden überwinden und geeint in die Wahlen ziehen? Die kommenden Wochen werden es zeigen.
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