Tag & Nacht

Die Ernennung von François Bayrou zum Premierminister am 13. Dezember durch den Élysée-Palast hat die politische Landschaft Frankreichs erneut in Bewegung gebracht. Bayrou, ein erfahrener Politiker und Vorsitzender der zentristischen Partei MoDem, steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Er muss eine stark fragmentierte Assemblée nationale dazu bringen, an einem Strang zu ziehen. Doch kann der neue Premierminister die Kluft zwischen den politischen Lagern überbrücken? Oder droht ihm, wie seinem Vorgänger Michel Barnier, ein Misstrauensvotum?

Die größte Herausforderung für Bayrou liegt in der Zusammensetzung der Nationalversammlung. Sie ist zersplittert wie nie zuvor – keine Partei hat eine klare Mehrheit. Bayrou muss darauf achten, dass sich nicht erneut eine Koalition gegen ihn formiert, die ihn wie Barnier zu Fall bringen könnte.

Auf dem Papier könnte sich der neue Premierminister auf den sogenannten „Block présidentiel“ stützen: eine Allianz aus Abgeordneten seiner eigenen Partei MoDem, der Macron-nahen Partei Horizons sowie den Abgeordneten von Renaissance (ehemals La République en Marche). Doch selbst diese Allianz ist oft uneins, und allein reicht sie nicht aus, um stabile Mehrheiten zu gewährleisten. Ein misstrauensfreier Weg durch die Nationalversammlung? Eine Herkulesaufgabe.

Die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) hat bislang keine Pläne geäußert, ein Misstrauensvotum gegen Bayrou einzureichen. Das könnte auf den ersten Blick wie eine Atempause wirken, doch die Ruhe könnte trügerisch sein. Während sich der RN noch zurückhält, wird in konservativen Kreisen unter Laurent Wauquiez offen darüber diskutiert, ob man sich in Bayrous Regierung einbringen könnte. Die Bedingungen, die Wauquiez stellt, könnten jedoch teuer erkauft sein – sowohl politisch als auch ideologisch.

Auf der anderen Seite versucht Bayrou, eine mögliche Brücke nach links zu schlagen. Er hat Konsultationen mit der sozialistischen Partei (PS) sowie mit grünen und kommunistischen Bündnispartnern aufgenommen. Diese Annäherung könnte der Schlüssel sein, um das fragile Machtgefüge zu stabilisieren. Doch wie belastbar ist ein solcher Schulterschluss mit Parteien, die traditionell weit von der Mitte entfernt stehen?

François Bayrou ist ein erfahrener Stratege, doch die Bedingungen, unter denen er regieren muss, sind fast unmöglich. Er darf keine größere Gruppe in der Assemblée nationale gegen sich aufbringen, gleichzeitig muss er seine Reformagenda umsetzen.

Wird er sich auf die Unterstützung der Linken einlassen, um sich von der Abhängigkeit vom RN zu lösen? Oder wird er, wie Macron selbst, versuchen, durch gezielte Kompromisse ein regierungsfähiges Zentrum zu stärken? Eine Antwort darauf ist schwer zu finden.


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