Tag & Nacht

Keine Liebe in den deutsch-französischen Beziehungen: Unterschiedliche Ziele und Auffassungen in verschiedenen Angelegenheiten haben die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nachhaltig erkalten lassen.

Nichts geht mehr zwischen Paris und Berlin: Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise treffen die beiden Länder Entscheidungen, die sie gegenseitig irritieren und die nur schwer miteinander zu vereinbaren sind. Hier die Gründe, warum das bisherige Traumpaar, das die treibende Kraft der Europäischen Union (EU) ist, sich immer weiter auseinanderlebt.

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Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine war Anlass für eine starke Reaktion der EU-Mitglieder durch die Lieferung von Ausrüstungsgegenständen an die Ukraine und den schrittweisen Verzicht auf die Einfuhr russischer Rohstoffe. Doch bei mehreren europäischen Rüstungsprojekten kommt es immer häufiger zu Problemen in der Zusammenarbeit.

Im Mittelpunkt der jüngsten Kontroverse steht die Ankündigung eines europäischen Luftabwehrprogramms unter deutscher Führung und unter Ausschluss Frankreichs. Deutschland beabsichtigt, für seine Luft- und Raketenabwehr ausländische Systeme wie das israelische Arrow 3 anstelle der französisch-italienischen Mamba-System zu beschaffen.

Und dies sind nicht die ersten deutsch-französischen Meinungsverschiedenheiten: Das Luftkampfsystem SCAF und das Kampfsystem MGCS sind ins Stocken geraten. Diese Projekte zur Entwicklung von Luft- und Panzerwaffen auf dem neuesten Stand der Technik werden inzwischen vom deutschen Generalstab in Frage gestellt. Dieser kündigte am 12. September laut dem Sender BFMTV an, dass man „keine Entwicklung von europäischen Lösungen, die am Ende nicht funktionieren“ wolle. Bereits 2021 wurde das Projekt des Seepatrouillenflugzeugs MAWS sang- und klanglos eingestellt, nachdem Deutschland den Kauf von US-amerikanischen Boeing-Flugzeugen angekündigt hatte.

Die Ankündigung eines 100-Milliarden-Sonderfonds zur Revitalisierung der deutschen Armee nach der russischen Invasion in der Ukraine muss ebenfalls erwähnt werden: Die Ausrüstung, die die Bundeswehr beschaffen will, ist größtenteils amerikanisch, mit F-35A und CH-47 Chinook. Ein weiterer Keil, der in die europäische Einheit im Verteidigungsbereich getrieben wird.

Im Energiesektor verfolgen die beiden Länder bereits seit Jahren eine sehr unterschiedliche Linie: Deutschland hat sich nach der Katastrophe von Fukushima dafür entschieden, auf Kernkraftwerke vollständig zu verzichten. Derzeit sind nur noch drei Kernkraftwerke in Deutschland in Betrieb. Ganz im Gegensatz zu Frankreichs Strategie: Frankreich unterhält derzeit noch einen großen Kernkraftwerkspark und will diesen sogar noch ausbauen.

Die Spannungen sind inzwischen so groß, dass der jährliche deutsch-französische Ministerrat, der am 26. Oktober stattfinden sollte, abgesagt wurde. Emmanuel Macron kritisierte zudem die deutschen Positionen vor dem EU-Energiegipfel am 12. Oktober: „Ich denke, dass es weder für Deutschland noch für Europa gut ist, wenn es sich isoliert. […] Unsere Rolle ist es, alles dafür zu tun, dass es eine europäische Einheit gibt und dass Deutschland ein Teil davon ist“, sagte er.

Im Blickpunkt steht dabei die Ankündigung des „Doppel-Wumms“, eines deutschen 200-Milliarden-Euro-Plans zum Schutz seiner Verbraucher, der ohne Absprache mit den europäischen Partnern zustande gekommen ist und die Gefahr birgt, dass Länder, die solche Summen nicht ausgeben können, geschwächt werden. „Es ist immer besser, sich zu beraten und zu koordinieren“, kritisierte der französische Präsident, der wegen der mangelnden Kommunikation sichtlich frustriert wirkte.

„Es ist sehr klar, dass Deutschland immer sehr solidarisch gehandelt hat“, antwortete Olaf Scholz laut France24. Paris hat nun – vielleicht als Reaktion – das von. Olaf Scholz favorisierte MidCat-Projekt endgültig begraben und durch eine Unterwasserpipeline zwischen Barcelona und Marseille ersetzt.

Der letzte EU-Energiegipfel war eine Gelegenheit, die Beziehungen zu verbessern und Lösungen für die Meinungsverschiedenheiten zu finden. „Wir haben jetzt einen sehr guten Fahrplan“, verkündete die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Das „iberische Modell“, ein Mechanismus, der von Spanien und Portugal zur Deckelung der Gaspreise genutzt wird, könnte trotz der deutschen Vorbehalte auf europäischer Ebene in Betracht gezogen werden.

Die beiden Staats- und Regierungschefs erklärten außerdem, dass ihre Gespräche positiv verlaufen seien: „Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich sowie zwischen dem Bundeskanzler und dem Präsidenten ist intensiv und fruchtbar“, erklärte Olaf Scholz in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober. Emmanuel Macron begrüßte seinerseits ein Treffen, das „viele Dinge geklärt hat“.

Ein endgültiger Ausweg aus der Krise könnte am 26. Oktober gefunden werden, wenn Macron Scholz in Paris empfängt.


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