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Frankreich steht vor einer grundlegenden Verschärfung seiner Anti-Drogen-Politik. Ein neuer Gesetzesentwurf, der im Senat bereits verabschiedet wurde und nun in der Nationalversammlung diskutiert wird, soll die Strafverfolgung gegen den organisierten Drogenhandel intensivieren. Der Entwurf, der von verschiedenen politischen Lagern unterstützt wird, sieht unter anderem die Schaffung einer spezialisierten Staatsanwaltschaft, erweiterte finanzielle Sanktionen gegen Drogenhändler sowie ein neues Strafvollzugsregime für besonders gefährliche Inhaftierte vor.

Eine spezialisierte Staatsanwaltschaft gegen organisierte Kriminalität

Kernstück des Entwurfs ist die Einrichtung einer Nationalen Staatsanwaltschaft für Organisierte Kriminalität (Parquet national anticriminalité organisée, Pnaco). Diese neue Behörde soll schwerwiegende Verbrechen verfolgen und als koordinierende Instanz für lokale Staatsanwaltschaften fungieren.

Die Umsetzung dieses Projekts soll bis Anfang 2026 erfolgen. Der Pnaco soll auf ein verstärktes Ermittlungsnetzwerk zurückgreifen, das von der Nationalen Direktion der Kriminalpolizei und zentralen Stellen wie dem Anti-Drogen-Büro unterstützt wird. Zudem wird die gesamte Strafverfolgungskette spezialisierte Zuständigkeiten erhalten, darunter speziell ausgebildete Richter und Strafvollzugsbeamte.

Finanzielle Sanktionen gegen Drogenhändler

Um den Drogenhandel effektiver zu bekämpfen, sollen gezielte finanzielle Maßnahmen die kriminellen Netzwerke treffen. Der Gesetzesentwurf enthält ein zweigleisiges System zur Einfrierung von Vermögenswerten, sowohl auf gerichtlicher als auch auf administrativer Ebene. Zusätzliche Maßnahmen umfassen die Möglichkeit, verdächtige Geschäfte administrativ zu schließen und eine „Anordnung zur Erklärung unerklärlichen Reichtums“ einzuführen, um Verdächtige zur Offenlegung nicht erklärbarer Einkünfte zu zwingen.

Zudem wird ein Verbot von Kryptowährungsmixern vorgeschlagen, die dazu genutzt werden, Transaktionen zu verschleiern und die Herkunft illegaler Gelder zu verschleiern.

Technische und rechtliche Neuerungen zur Strafverfolgung

Ein kontrovers diskutierter Punkt des Gesetzes betrifft die verstärkte Nutzung technischer Mittel zur Bekämpfung des Drogenhandels. Vorgeschlagen wird unter anderem der experimentelle Einsatz von algorithmischer Überwachung zur Identifikation krimineller Strukturen, ein Modell, das bereits im Bereich der Terrorismusbekämpfung Anwendung findet. Die Methode analysiert große Datenmengen, um verdächtige Muster zu erkennen und sie den Ermittlungsbehörden zu melden.

Zusätzlich sollen Plattformen verschlüsselter Kommunikation wie Signal oder WhatsApp verpflichtet werden, unter bestimmten Bedingungen den Ermittlungsbehörden Zugriff auf Nachrichten von Verdächtigen zu gewähren. Diese Regelung stößt auf Widerstand, da sie als potenzieller Eingriff in die bürgerlichen Freiheitsrechte gesehen wird.

Neue Strafvorschriften zur Bekämpfung der „kleinen Fische“ im Drogenhandel

Um der zunehmenden Rekrutierung von Jugendlichen durch Drogenhändler entgegenzuwirken, sieht der Entwurf ein neues Strafdelikt vor. Die „Anwerbung von Minderjährigen zum Drogenhandel“ soll mit einer Haftstrafe von bis zu sieben Jahren und einer Geldstrafe von 150.000 Euro geahndet werden.

Zudem wird diskutiert, Präfekten die Möglichkeit einzuräumen, Drogenhändlern und deren Helfern das Betreten bestimmter Gebiete zu verbieten, um den Straßenhandel gezielt zu unterbinden. Auch diese Maßnahme ist nicht unumstritten, da sie als potenziell unverhältnismäßig kritisiert wird.

Vertrauliche Ermittlungsakten zur Sicherung polizeilicher Methoden

Ein weiteres Element des Gesetzes ist die Schaffung einer separaten Ermittlungsakte für besonders sensible Informationen, die nicht in die regulären Gerichtsakten aufgenommen werden. Diese könnten dann weder von der Verteidigung noch von den Angeklagten eingesehen werden, um zu verhindern, dass Ermittlungsverfahren durch Kenntnisse der polizeilichen Methoden unterlaufen werden. Kritiker sehen darin einen Bruch mit dem Prinzip des fairen Verfahrens.

Erweiterung des Kronzeugenprogramms nach italienischem Vorbild

Ein inspirierendes Beispiel für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens bietet Italien mit seinem erweiterten Kronzeugenprogramm. In Frankreich wird vorgeschlagen, dieses Modell anzupassen und Anreize für Aussagen gegen kriminelle Netzwerke zu schaffen, indem Kronzeugen unter bestimmten Bedingungen Immunität gewährt werden kann.

Allerdings ist vorgesehen, dass diese Immunität aufgehoben wird, falls die Person erneut straffällig wird oder absichtlich falsche Angaben macht. Auch hier ist mit Widerstand aus juristischen Kreisen zu rechnen.

Neues Hochsicherheitsgefängnis für die gefährlichsten Häftlinge

Eine spätere Ergänzung des Gesetzesentwurfs betrifft ein spezielles Haftregime für besonders gefährliche Kriminelle. Vorgesehen ist die Inhaftierung dieser Personen in einem Hochsicherheitsgefängnis mit verschärften Bedingungen, darunter Isolation, reduzierte Telefonzeiten und eine verstärkte Überwachung des Besuchsverkehrs.

Diese Maßnahme soll verhindern, dass inhaftierte Drogenbosse aus dem Gefängnis heraus kriminelle Netzwerke steuern oder gewaltsame Befreiungsaktionen organisiert werden. Auch hierbei handelt es sich um ein Modell, das aus der italienischen Anti-Mafia-Gesetzgebung adaptiert wurde.

Die geplanten Reformen markieren einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen den Drogenhandel in Frankreich. Allerdings stehen sie vor großen juristischen und politischen Herausforderungen. Ob das Gesetz in seiner jetzigen Form verabschiedet wird, bleibt abzuwarten.

Autor: P. Tiko

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