Frankreich hat zum vierten Mal in diesem Jahr eine neue Regierung – und das sorgt für Aufsehen. François Bayrou, langjähriger Politiker der Mitte, hat am Abend des 23. Dezember sein neues Kabinett vorgestellt. Doch trotz Versprechungen einer „breiten Öffnung“ wirkt die Zusammensetzung eher wie ein Zugeständnis an die rechte Mitte des politischen Spektrums.
Alte Gesichter, wenig frischer Wind
Mit 35 Mitgliedern, darunter 18 Frauen, setzt Bayrou vor allem auf politische Routiniers. Zwei frühere Premierminister, Élisabeth Borne und Manuel Valls, kehren in die Regierung zurück. Borne übernimmt das Bildungsministerium, während Valls, der sich inzwischen wieder politisch ins Rampenlicht geschoben hat, für das heikle Ressort Überseegebiete zuständig ist – ein Bereich, der derzeit durch Krisen in Mayotte und Neukaledonien besonders unter Druck steht.
Besonders bemerkenswert ist die Rückkehr von Gérald Darmanin, der erst vor drei Monaten das Innenministerium verlassen hatte. Nun wird er Minister für Justiz, ein Posten, den ursprünglich Xavier Bertrand übernehmen sollte. Dieser lehnte jedoch ab – er wollte offenbar nicht in einem Kabinett mitarbeiten, das von Marine Le Pen mitgetragen wird.
Bruno Retailleau bleibt hingegen an der Spitze des Innenministeriums und wird zusammen mit Darmanin eine Art „Tandem der Konservativen“ bilden.
Neue Gesichter, alte Netzwerke
Unter den Neuzugängen fällt Éric Lombard auf, bisher Generaldirektor der Caisse des Dépôts, der nun das Wirtschaftsministerium leitet. François Rebsamen, ein alter Bekannter aus der Ära François Hollande, übernimmt das Ressort für Raumordnung und Dezentralisierung.
Und was ist mit der angekündigten Öffnung nach links? Diese bleibt – freundlich gesagt – überschaubar. Juliette Méadel, eine ehemalige Sozialistin, wird Ministerin für Stadtentwicklung, aber das reicht nicht aus, um von einer echten Balance zu sprechen.
Ein stark konservatives Fundament
Von den 35 Regierungsmitgliedern wurden 19 aus dem vorherigen Kabinett von Michel Barnier übernommen. Das zeigt: Bayrou setzt auf Kontinuität. Zu den bekannten Namen gehören Sébastien Lecornu (Verteidigung), Jean-Noël Barrot (Außenpolitik), Annie Genevard (Landwirtschaft) und Rachida Dati (Kultur).
Interessant ist auch die Rückkehr von Amélie de Montchalin, die den Bereich der öffentlichen Finanzen übernimmt – ein Signal an die Mitte-Rechts-Wähler.
Ein schwerer Start ins neue Jahr
Die neue Regierung tritt in einer schwierigen Lage an. Der Sturz von Michel Barnier war eng mit dem Scheitern des Sozialbudgets verbunden, einem zentralen Finanztext. Bayrous erstes Ziel wird es sein, den Haushaltsstreit zu entschärfen.
Doch die Herausforderung ist enorm: Mit einer zersplitterten Nationalversammlung, die erst vor wenigen Wochen eine Regierung durch ein Misstrauensvotum gestürzt hat, wird die Umsetzung einer kohärenten politischen Agenda schwierig. Die erste Bewährungsprobe wird der Haushaltsplan sein – eine Mammutaufgabe, die Fingerspitzengefühl und strategische Allianzen erfordert.
Was sagt das über Frankreichs politische Landschaft aus?
Eine Frage drängt sich auf: Ist Frankreichs Mitte endgültig nach rechts gerückt? Mit prominenten Konservativen wie Darmanin und Retailleau an Schlüsselpositionen wirkt Bayrous Kabinett wie eine Antwort auf den zunehmenden Druck der rechten Kräfte. Doch diese Strategie birgt Risiken.
Ohne eine echte Balance zwischen rechten und linken Kräften könnten neue Spannungen entstehen – nicht nur innerhalb der Regierung, sondern auch in der Gesellschaft. Die französische Politik bleibt damit ein Drahtseilakt.
Ob Bayrou mit seiner neuen Regierung langfristig Erfolg haben wird, hängt davon ab, wie geschickt er diesen Drahtseilakt meistert. Klar ist nur eines: Das politische Jahr 2025 beginnt in Frankreich mit mehr Fragen als Antworten.
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