Die Wohnungsnot in Frankreich erreicht ein alarmierendes Ausmaß. Der neue Bericht der Fondation pour le Logement des Défavorisés – ehemals Fondation Abbé Pierre – zeigt, wie dramatisch die Situation für Menschen ohne festen Wohnsitz geworden ist. Doch statt entschlossen zu handeln, verharrt die Regierung laut Kritikern in Stillstand.
„Eine Spirale nach unten“
Christophe Robert, der Generalsekretär der Stiftung, fasst es nüchtern zusammen: „Die Lage verschärft sich weiter.“ Der am 4. Februar veröffentlichte Jahresbericht 2025 zeigt, dass die Wohnraumkrise mittlerweile ganze soziale Schichten betrifft – ein Problem, das sich durch politisches Zögern und fehlende Entscheidungen weiter zuspitzt.
Ein besorgniserregender Faktor: Über sieben Monate lang gab es 2024 keinen Wohnungsbauminister mit echter Handlungsmacht. Die Folge war eine anhaltende Unsicherheit und ein dramatischer Rückgang des sozialen Wohnungsbaus.
Tragische Rekorde: Mehr Obdachlose, weniger Wohnraum
Die nackten Zahlen sind erschreckend. 735 Menschen starben 2024 auf der Straße – so viele wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Die Gesamtzahl der Obdachlosen stieg auf 350.000, ein Anstieg um 145 % innerhalb von zwölf Jahren. Zudem leben 4,2 Millionen Menschen in prekären Wohnverhältnissen.
Die Bautätigkeit ist auf einem Tiefpunkt: Nur 260.000 neue Wohnungen wurden 2024 gebaut, im Vergleich zu 435.000 im Jahr 2017. Noch dramatischer ist die Lage im sozialen Wohnungsbau – mit nur 86.000 neuen Einheiten im vergangenen Jahr, so wenig wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.
Notunterkünfte überlastet – Tausende ohne Schutz
Der Kollaps des Wohnungsmarktes wirkt sich direkt auf die Notunterkünfte aus. Nacht für Nacht müssen zwischen 5.000 und 8.000 Menschen, darunter bis zu 3.000 Kinder, abgewiesen werden, weil es schlichtweg keine Plätze gibt.
Gleichzeitig wurden 2024 über 100.000 Menschen aus besetzten Gebäuden, Zeltsiedlungen und anderen improvisierten Unterkünften zwangsgeräumt – ein trauriger Rekord. Die Stiftung kritisiert diese repressiven Maßnahmen als reine Symptombekämpfung: „Man kann Menschen nicht einfach vertreiben, ohne ihnen Alternativen zu bieten.“
Energiearmut auf dem Vormarsch
Doch nicht nur die Obdachlosigkeit nimmt zu, auch die Wohnbedingungen für Millionen von Menschen verschlechtern sich rapide. 12 Millionen Franzosen sind von Energiearmut betroffen, 30 % der Haushalte berichteten, dass sie 2024 in ihren Wohnungen frieren mussten.
Besonders drastisch: Die Zahl der Strom- und Gassperren wegen unbezahlter Rechnungen hat sich seit 2020 verdoppelt – erstmals wurden über eine Million solcher Maßnahmen in einem Jahr registriert.
Lösungsansätze: Leerstand nutzen?
Angesichts dieser Entwicklungen fordert die Stiftung entschlossenes Handeln: „Es ist höchste Zeit, das Wohnen zur nationalen Priorität zu machen.“
Ein Vorschlag ist die Nutzung leerstehender Gebäude – darunter ungenutzte öffentliche Gebäude, Schulen oder verlassene Büros. Lokale Behörden sollten verpflichtet werden, solche Immobilien systematisch zu erfassen und für Wohnzwecke zugänglich zu machen.
Ob diese Forderungen Gehör finden, bleibt abzuwarten. Doch klar ist: Wenn nichts passiert, wird die Krise weiter eskalieren – mit fatalen Folgen für die gesamte Gesellschaft.
Autor: C.H.
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