In den letzten Tagen haben mehrere TikTok-Influencer in Frankreich durch hasserfüllte Videos Aufmerksamkeit erregt – und für diplomatische Spannungen zwischen Frankreich und Algerien gesorgt. Während ein Tiktoker nach einer gescheiterten Ausweisung wieder in Frankreich landete, sitzt eine andere Influencerin in Untersuchungshaft. Die Debatte über die Verantwortung von Social-Media-Persönlichkeiten und die Konsequenzen ihrer Inhalte ist wieder entbrannt.
Ein gescheiterter Ausweisungsversuch
Am 9. Januar wurde der 59-jährige TikTok-Influencer „Doualemn“ aus Montpellier nach Algerien abgeschoben. Grund dafür war eine Videoaufnahme, in der er zur Gewalt gegen einen angeblichen Oppositionsanhänger des algerischen Regimes aufgerufen hatte. Doch Algerien verweigerte ihm die Einreise. Noch am selben Abend wurde er zurück nach Frankreich geflogen und ins Abschiebezentrum Mesnil-Amelot bei Paris gebracht.
Sein Anwalt, Jean-Baptiste Mousset, kritisierte das Vorgehen scharf: „Die französischen Behörden haben die Abschiebung überstürzt, um eine richterliche Prüfung zu umgehen.“ Dabei war der Prozess gegen den Influencer bereits für den 24. Februar angesetzt. Während die genaue Übersetzung des Videos zwar ergab, dass der Satz „tötet ihn“ nicht wörtlich gefallen war, bezeichnete der Präfekt von Hérault das Video dennoch als „Aufruf zur Folter“, der den Entzug seiner Aufenthaltserlaubnis rechtfertige.
Haftstrafe für eine ehemalige Fußballspielerin
Ebenfalls am 9. Januar wurde die 50-jährige Sofia Benlemmane in Lyon festgenommen. Die TikTok- und Facebook-Influencerin, die über 300.000 Follower hat, wird beschuldigt, in Videos zu Hass und Gewalt gegen Kritiker des algerischen Regimes aufgerufen zu haben. Ihre Äußerungen waren oft radikal, darunter Sätze wie: „Ich hoffe, du wirst getötet.“
Benlemmane ist keine Unbekannte: Bereits 2001 wurde sie wegen eines Platzsturms während eines Spiels zwischen Frankreich und Algerien verurteilt. Während sie 2020 den algerischen Präsidenten Abdelmadjid Tebboune noch kritisierte, unterstützt sie inzwischen offen die Regierung in Algier. Auch ihre Festnahme heizt die Debatte über die Meinungsfreiheit und den Umgang mit Hassreden an.
Weitere Festnahmen und Ermittlungen
Die französischen Behörden haben in den letzten Tagen verstärkt gegen Hassreden auf Social Media durchgegriffen:
- Youcef A. alias „Zazou Youssef“: Der 25-Jährige wurde am 3. Januar in Brest verhaftet. Er soll zu Anschlägen in Frankreich und Gewalt in Algerien aufgerufen haben. Ihm drohen bis zu sieben Jahre Haft.
- „Imad Tintin“: Der 31-Jährige aus Grenoble wurde nach einem Video festgenommen, in dem er zur Vergewaltigung und Ermordung in Frankreich aufrief. Auch er sitzt in Untersuchungshaft.
- Drei weitere Influencer in Lyon: Darunter „Abdesslam Bazooka“ und „Laksas06“, die in Videos die Opposition als „Verräter“ bezeichneten und zu Gewalt aufriefen. Ihre Konten wurden inzwischen von TikTok gesperrt.
Die Rolle der sozialen Netzwerke
TikTok, das häufig als Plattform für Unterhaltung genutzt wird, gerät zunehmend unter Druck, Maßnahmen gegen Hassrede zu ergreifen. Die Konten der festgenommenen Influencer wurden wegen Verstößen gegen die Gemeinschaftsrichtlinien gelöscht. Doch die Vorfälle werfen Fragen auf: Wie können solche Inhalte überhaupt viral gehen? Und warum wird oft erst reagiert, wenn strafrechtliche Konsequenzen drohen?
Die Plattformen stehen in der Verantwortung, schneller und effektiver gegen Hassrede und Gewaltaufrufe vorzugehen. Gleichzeitig zeigt der Fall, wie leicht soziale Medien zu einem Werkzeug für politische Hetze werden können – und wie komplex die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und öffentlicher Sicherheit ist.
Ein diplomatischer Drahtseilakt
Die Festnahmen und die gescheiterte Ausweisung werfen auch ein Licht auf die angespannten Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien. Algerien verweigerte nicht nur Doualemn die Einreise, sondern wird auch beschuldigt, die Hassreden nicht konsequent zu verurteilen. Gleichzeitig sieht sich Frankreich mit einer wachsenden Herausforderung konfrontiert, wie es mit radikalisierten Influencern umgeht, die sowohl in Frankreich als auch in Algerien ein Publikum haben.
Ein Weckruf für die Gesellschaft
Diese Ereignisse machen deutlich, wie mächtig Influencer geworden sind – und wie gefährlich ihre Inhalte sein können. Doch sie erinnern auch daran, dass Hassrede und Aufrufe zur Gewalt nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfen. Es ist eine gemeinsame Aufgabe von Regierungen, Plattformen und Nutzern, solchen Entwicklungen entgegenzuwirken.
Denn eines steht fest: Worte haben Macht – und Verantwortung ist kein optionales Extra.
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