Tag & Nacht

Mit dem Tod von Jean-Marie Le Pen ist eine der umstrittensten Persönlichkeiten der französischen Politik endgültig Geschichte. Der Gründer des Front National (heute Rassemblement National) starb am 7. Januar 2025 im Alter von 96 Jahren. Die Reaktionen aus der politischen Landschaft Frankreichs könnten unterschiedlicher kaum sein: Während die extreme Rechte ihn als Visionär und patriotischen Kämpfer würdigt, erinnert die Linke an die Gefahren seines politischen Erbes.


Ein umstrittener „Tribun des Volkes“

Für die extreme Rechte ist Le Pen eine Symbolfigur, ein Pionier nationalistischer Politik, der mit seiner Rhetorik und seinen Überzeugungen über Jahrzehnte eine politische Bewegung anführte. Jordan Bardella, Präsident des Rassemblement National, bezeichnete ihn als „Tribun des Volkes“ und „Vorkämpfer für Frankreichs Identität und Souveränität“. Auch Éric Zemmour, Vorsitzender von Reconquête, würdigte Le Pens Mut: „In einer Zeit, in der mutige Männer rar waren, blieb er standhaft und warnte vor den existenziellen Bedrohungen, denen Frankreich ausgesetzt ist.“

Für viele seiner Anhänger bleibt Le Pen der Mann, der patriotische Werte verkörperte und unbequeme Wahrheiten aussprach – ungeachtet der Kontroversen, die ihn begleiteten. Gilbert Collard, ehemaliger FN-Abgeordneter, sprach von einer „historischen Einsamkeit“, die Le Pen hinterlässt, und beschrieb ihn als letzten „Giganten“ der französischen Politik.


Rechte und Zentristen: Eine zwiespältige Würdigung

Auch Vertreter der Mitte und der gemäßigten Rechten äußerten sich zum Tod Le Pens, allerdings mit einer differenzierteren Perspektive. Premierminister François Bayrou bezeichnete ihn als „Figur der französischen Politik“, während er seine Vorliebe für Polemiken und die Auseinandersetzungen auf der Sachebene anmerkte.

Bruno Retailleau, Innenminister und Mitglied der konservativen Rechten, würdigte Le Pen als einen Mann, der „zweifellos seine Ära geprägt“ habe, und betonte, dass trotz der „dunklen Schatten“ seines politischen Weges sein Einsatz für Frankreichs Patriotismus anerkannt werden müsse. Ähnlich äußerte sich Éric Ciotti, der ihn als „Lichtgestalt des Patriotismus“ und zugleich als „umstrittene Persönlichkeit“ beschrieb, die das politische Klima der Fünften Republik mitgestaltet habe.


Die Linke bleibt unnachgiebig

Auf der anderen Seite zeigte sich die politische Linke unnachgiebig in ihrer Ablehnung von Jean-Marie Le Pen und seinem Erbe. Der linke Führer Jean-Luc Mélenchon sprach von einem notwendigen Respekt gegenüber den Toten, stellte jedoch klar: „Die Taten von Jean-Marie Le Pen bleiben unerträglich. Der Kampf gegen den Mann ist vorbei, der Kampf gegen seine Ideen geht weiter.“

Andere Stimmen waren weniger diplomatisch. François Ruffin erinnerte an die „Freunde von Vichy“ und die Verbrechen des Kolonialismus, die Le Pen in Algerien begangen haben soll, und bezeichnete ihn als „Faschisten vergangener Zeiten“. Louis Boyard, jüngerer Abgeordneter der Linken, äußerte: „Er verdient kein Denkmal. Unsere Gedanken gelten den Menschen, die er verachtet hat – Exilierte, Frauen, Muslime, Jüdinnen und Juden, LGBT-Menschen.“

Philippe Poutou, Politiker der extremen Linken, ging noch weiter und sprach von einer „guten Nachricht“ zu Beginn des Jahres, die jedoch nichts an der Notwendigkeit des antifaschistischen Kampfes ändere.


Ein ambivalentes Erbe

Jean-Marie Le Pen hinterlässt ein Erbe, das Frankreich in vielerlei Hinsicht gespalten hat. Für die einen bleibt er ein patriotischer Visionär, der mutig gegen den Strom schwamm und unbequeme Themen ansprach. Für die anderen ist er ein Symbol des Hasses, der Spaltung und des politischen Extremismus, das bis heute nachwirkt.

Die Zukunft wird zeigen, wie Frankreich mit diesem Erbe umgeht – und ob die Spaltung, die Le Pen hinterlassen hat, überwunden werden kann. Eines ist jedoch sicher: Die Debatte über seine Ideen wird noch lange nicht verstummen. Das Urteil der Geschichte über Jean-Marie Le Pen steht noch aus – doch es wird von Generationen geformt werden, die seine Politik erlebt, ertragen oder befürwortet haben.


Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!