Tag & Nacht

„Ich will sagen, wer ich bin.“ Mit diesen einfachen, aber kraftvollen Worten hat Lucie Castets, die vom Nouveau Front populaire (NFP) als Kandidatin für das Amt der Premierministerin nominiert wurde, in einem Interview mit Paris Match am 6. August ihr öffentliches Coming-out gefeiert. Sie gab bekannt, dass sie mit einer Frau verheiratet ist und ein zweieinhalbjähriges Kind hat. Sollte Emmanuel Macron sie ernennen, wäre sie nach Gabriel Attal die zweite offen homosexuelle Person, die dieses hohe Amt bekleidet.

Die Balance zwischen Privatleben und Öffentlichkeit

„Ich möchte einen Ausgleich finden zwischen dem Schutz meiner Familie, meiner Frau und unserem Kind, und dem, wer ich bin.“ Diese Aussage unterstreicht, wie wichtig ihr das Wohl ihrer Liebsten ist. Sie will sich nicht verstecken, sondern offen und authentisch auftreten, ohne dabei ihre Familie unnötig ins Rampenlicht zu rücken.

Lucie Castets hat bisher als Ökonomin in der Pariser Stadtverwaltung gearbeitet und wurde erst vor einem Monat als Kandidatin des NFP vorgestellt. Trotz ihrer relativen Unbekanntheit hat sie schnell mediale Aufmerksamkeit erlangt – und das nicht nur wegen ihrer politischen Ambitionen.

Herausforderungen und Hassbotschaften

Leider blieb die Enthüllung ihrer sexuellen Orientierung nicht ohne negative Reaktionen. Castets berichtet von „Hassnachrichten von Rechtsextremen“, die sie erhalten hat. Doch die 37-Jährige zeigt sich unbeeindruckt. Mit bemerkenswerter Gelassenheit und Selbstbewusstsein begegnet sie auch den Vorwürfen bezüglich ihres Bildungshintergrunds und ihrer Ausbildung an der Elitehochschule ENA.

„Ich habe nichts zu beweisen. Ich fühle mich wohl in meiner Haut, die Leute werden das erkennen – oder auch nicht. ENA-Absolventin zu sein, ist ein Teil meiner Realität.“

Diese Worte zeigen eine Frau, die weiß, wer sie ist und was sie kann. Sie lässt sich nicht von Kritikern aus der Bahn werfen, sondern bleibt fokussiert auf ihre Ziele und Überzeugungen.

Politische Position und Kompromissbereitschaft

In einem weiteren Interview mit der Zeitung Sud-Ouest kritisierte Castets eine mögliche Ernennung von Xavier Bertrand (Les Républicains) zum Premierminister scharf. Sie bezeichnete dies als „Absurdität“ angesichts der politischen Gewichtung seiner Partei in der Nationalversammlung. Stattdessen betonte sie ihre Bereitschaft, Kompromisse zu finden und eng mit den Abgeordneten beider Kammern – der Nationalversammlung und dem Senat – zusammenzuarbeiten.

„Ich bin bereit, Kompromisse zu finden und von Text zu Text mit den Parlamentariern der Assemblée und des Senats zu arbeiten.“

Diese pragmatische und kooperative Haltung könnte Castets zu einer Schlüsselfigur in der französischen Politik machen. Sie zeigt, dass sie nicht nur für ihre Ideale kämpft, sondern auch bereit ist, über Parteigrenzen hinweg nach Lösungen zu suchen.

Ein neuer Stern am politischen Himmel

Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die politische Karriere von Lucie Castets entwickeln wird. Ihre Offenheit, ihr Selbstbewusstsein und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit könnten sie zu einer wichtigen Stimme in der französischen Politik machen. Ist sie die Person, die frischen Wind in das Palais Matignon bringt? Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob Castets die notwendige Unterstützung erhält und wie sie sich in der Rolle der Premierministerin behaupten wird – sollte sie von Emmanuel Macron in dieses Amt berufen werden.

Eines ist jedoch sicher: Lucie Castets hat bereits jetzt gezeigt, dass sie keine Angst davor hat, sie selbst zu sein – und das ist in der Politik eine Seltenheit.


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