Tag & Nacht

Lucie Castets, die Kandidatin des Nouveau Front Populaire (NFP) für das Amt der Premierministerin, setzt ihre Schwerpunkte – und sie hat keine Zeit zu verlieren. In einem kürzlich veröffentlichten Brief an die Abgeordneten und Senatoren der „republikanischen Gruppen“ legte sie ihre fünf großen Prioritäten dar. Der Ton ist eindeutig: Die Wählerinnen und Wähler haben bei den letzten Wahlen im Juli ein starkes Zeichen gesetzt. Jetzt, da die Regierungsbildung in greifbare Nähe rückt, ist es an der Zeit, die Wahlversprechen in konkrete Maßnahmen umzusetzen.

Die Prioritäten? Nun, sie spiegeln die Bedürfnisse einer Gesellschaft wider, die nach tiefgreifendem Wandel verlangt. Ganz oben auf der Liste steht das Thema „Kaufkraft und soziale Gerechtigkeit“. Es geht um nichts weniger als eine Erhöhung des Mindestlohns und die Rücknahme der umstrittenen Rentenreform.

Aber das ist noch lange nicht alles. Castets plant eine tiefgreifende ökologische Wende – eine „Bifurkation“, wie sie es nennt. Der Wandel soll umfassend sein, nicht nur ein Lippenbekenntnis. Parallel dazu wird das Bildungssystem in den Fokus gerückt, ebenso wie der öffentliche Gesundheitsdienst Frankreichs, der in den letzten Jahren stark gelitten hat. Schließlich fordert sie eine gerechtere Besteuerung, die besonders die wohlhabenden Haushalte und multinationalen Konzerne ins Visier nimmt. Der Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung – ebenfalls ein zentrales Thema für Castets.

Ein neuer Wind im Parlament

Doch wie will sie diese ambitionierten Ziele erreichen? Castets hat einen Plan: Sie verspricht eine neue Arbeitsweise im Parlament. Statt einsamer Entscheidungen hinter verschlossenen Türen sollen Texte im Vorfeld ausgearbeitet und die Verantwortung während der Debatten besser verteilt werden. Der Dialog steht im Mittelpunkt. Abgesehen davon, dass die Regierung den parlamentarischen Gruppen mehr Mitspracherecht einräumen will, sollen auch Gewerkschaften, lokale Mandatsträger und die organisierte Zivilgesellschaft stärker eingebunden werden.

Ein interessanter Punkt ist die klare Abgrenzung gegenüber dem Rassemblement National. Die Formulierung „republikanische Gruppen“ lässt keinen Zweifel daran, dass diese Partei bei den anstehenden Diskussionen nicht mit am Tisch sitzen wird. Ist das eine kluge Taktik oder könnte dies am Ende zu einer weiteren Spaltung führen?

Herausforderungen und Chancen

Die Aufgaben, denen sich Lucie Castets und ihrer möglichen Regierung gegenüber sehen, sind nicht zu unterschätzen. Mit einem fragmentierten Parlament, in dem der NFP zwar stark, aber ohne Mehrheit dasteht, muss sie Allianzen schmieden, um ihre Pläne durchzusetzen. Ob die republikanischen Gruppen bereit sind, mit ihr zusammenzuarbeiten, bleibt abzuwarten. Ihre Versprechen klingen zwar verlockend, aber die politische Realität ist oft eine andere – und die kommenden Tage werden zeigen, ob sie ihren Kurs umsetzen kann.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Castets den Puls der Zeit spürt. Und wie heißt es so schön? Man muss die Menschen da abholen, wo sie stehen. Castets hat die Chance, genau das zu tun. Ihre Prioritäten sind gesetzt – jetzt gilt es, Taten folgen zu lassen.


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