Emmanuel Macron, der Präsident der Republik, begibt sich auf eine dreitägige diplomatische Reise nach Marokko – eine Chance für ihn, in einer Zeit der politischen Unsichtbarkeit im Inland durch internationale Politik Gehör zu finden.
Seit dem unglücklichen Beschluss, das Parlament aufzulösen, und dem Einzug von Michel Barnier in die französische Politik, hat sich für Macron einiges geändert. Einst allgegenwärtig und ständig im Fokus, muss er sich nun in Zurückhaltung üben. Stellen Sie sich das vor – ein Politiker, der normalerweise in jedem Bereich aktiv ist, muss plötzlich geduldig abwarten, was andere entscheiden. Für einen Mann wie Macron ist das fast so, als würde man einen Marathonläufer zum Schachspielen verdonnern. Und was macht ein politischer Anführer, der im Inland ausgebremst wird? Er wendet sich den internationalen Themen zu.
Diese Verschiebung hin zur Außenpolitik ist kein neues Phänomen. Schon seine Vorgänger, François Mitterrand und Jacques Chirac, erlebten während Phasen der politischen „Cohabitation“ ähnliche Situationen. Macron tritt also in bekannte Fußstapfen, doch die Zeiten haben sich verändert. Heute hat jedes gesprochene Wort – vor allem auf der internationalen Bühne – das Potenzial, Wellen zu schlagen.
Diplomatie unter dem Brennglas
Ein gutes Beispiel: seine jüngsten Äußerungen zur UNO-Resolution in Bezug auf Israel. Obwohl Macron später bestritt, diese Position im Ministerrat vertreten zu haben, bestätigten mehrere seiner Minister das Gegenteil. Diese Aussagen schürten in einem bereits erhitzten internationalen Klima noch mehr Spannungen. Wie eine Ministerin aus seinem engen Umfeld treffend bemerkte: „Die internationale Bühne ist nicht unbedingt der beste Weg, um sich politisch zu behaupten – alles kann leicht explodieren.“
Und genau dieser Herausforderung sieht sich Macron in Marokko gegenüber. Er muss Fingerspitzengefühl beweisen, um das Königreich Marokko zu unterstützen, ohne gleichzeitig den benachbarten Rivalen Algerien zu brüskieren. Diplomatie ist ein hochsensibles Spiel, bei dem ein unbedachter Schritt erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Der Präsident, der sich in Frankreich an knackige, medienwirksame Aussagen gewöhnt hat, muss nun lernen, seine Worte sorgfältiger zu wählen. Was in Paris wie eine clevere Pointe wirken mag, kann in einem anderen Teil der Welt eine politische Katastrophe auslösen – der berühmte „Schmetterlingseffekt“, den Macron gerade hautnah erlebt.
Einsam an der Spitze?
Hinzu kommt sein zunehmendes politisches Alleinsein. In Frankreich hat er an Rückhalt verloren, und das bleibt auch auf der internationalen Bühne nicht unbemerkt. Seine europäischen Kollegen, mit denen er auf den Gipfeltreffen zusammenkommt, wissen, dass sein Einfluss zu Hause schwindet. Während die italienische Premierministerin Giorgia Meloni auf Erfolge in den heimischen Wahlen verweisen kann und mit breiter Brust auftritt, wirkt Macron zunehmend angeschlagen.
Seine einst großen Ambitionen, Frankreich als Vorreiter der europäischen Politik zu positionieren, wirken plötzlich weniger überzeugend. Es ist schwer, die Vision eines geeinten und starken Europas zu verkaufen, wenn man nicht einmal sicherstellen kann, dass im eigenen Parlament internationale Abkommen ratifiziert werden. Für Macron, der Frankreichs „Grandeur“ stets verteidigen wollte, bedeutet dies eine harte Lektion in Sachen Demut.
Ein schmaler Grat
Trotz allem bleibt die Außenpolitik eine der letzten Arenen, in denen Macron sich entfalten kann. Doch diese Bühne ist gefährlicher, als sie es je war. Jeder Schritt will gut überlegt sein, jede Rede muss sitzen. Es gibt kaum Spielraum für Fehler, vor allem in einer Region wie Nordafrika, die historisch, kulturell und politisch eng mit Frankreich verbunden ist. Die französisch-marokkanischen Beziehungen sind zwar stark, aber auch empfindlich. Und wenn man bedenkt, dass Algerien – ein traditioneller Rivale Marokkos – genau beobachtet, was passiert, wird klar, dass Macron hier nicht einfach nur die üblichen diplomatischen Höflichkeiten austauschen kann.
In diesem Spannungsfeld wird von ihm erwartet, dass er diplomatisch vorgeht, ohne dabei Schwäche zu zeigen. Ein Drahtseilakt – eine Herausforderung, die Macron vielleicht als die größte seiner Karriere betrachten könnte. Denn im Unterschied zu früheren Zeiten, wo Diplomatie oft das Werk hinter verschlossenen Türen war, spielen heute die Medien eine entscheidende Rolle. Jede Geste, jedes Wort wird analysiert, kritisiert und in sozialen Netzwerken verbreitet.
Die Zukunft Macrons: Überleben durch Diplomatie?
Es bleibt spannend zu sehen, wie Macron diese neue Rolle annimmt. Wird er es schaffen, sich als Staatsmann auf der internationalen Bühne zu behaupten, während er zu Hause politisch geschwächt ist? Die Antwort auf diese Frage wird nicht nur für seine Präsidentschaft entscheidend sein, sondern auch für Frankreichs Stellung in der Welt.
Was sicher ist: Macron befindet sich auf einer steilen Lernkurve. Und obwohl die Weltpolitik ihm eine Möglichkeit bietet, sich zu profilieren, ist es gleichzeitig ein gefährlicher Pfad. Schließlich ist Diplomatie wie ein Tanz auf dünnem Eis – ein falscher Schritt, und es bricht unter einem weg. Macron wird sich also warm anziehen müssen, wenn er in Marokko die richtigen Töne treffen will.
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