Mayotte, ein kleines Inselarchipel im Indischen Ozean, wurde jüngst schwer vom Zyklon Chido getroffen. Doch abgesehen von den verheerenden Schäden durch die Naturkatastrophe ist Mayotte, Frankreichs ärmstes Département, bereits seit Jahren von tiefgreifenden Problemen geprägt. Armut, Unsicherheit und eine angespannte Migrationssituation belasten die Insel nachhaltig.
Mayotte mag auf den ersten Blick wie ein tropisches Paradies wirken, mit türkisfarbenem Wasser und malerischen Stränden. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich eine soziale Realität, die kaum mit der Metropole vergleichbar ist. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-BIP von nur 10.600 Euro liegen die Mahorais deutlich unter dem französischen Durchschnitt. Noch alarmierender: Rund 77 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Lebensumstände vieler Einwohner sind prekär, geprägt von schlecht ausgebauter Infrastruktur, unzureichender medizinischer Versorgung und einem Bildungssystem, das den Bedürfnissen der jungen Bevölkerung oft nicht gerecht wird.
Mayottes geografische Lage ist Fluch und Segen zugleich. Nur etwa 60 Kilometer trennen die Insel von den Komoren, einem der ärmsten Länder der Welt. Diese Nähe hat Mayotte zum Ziel vieler Migranten gemacht, die über das Meer auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen die Insel erreichen. Heute machen Ausländer etwa 50 % der Gesamtbevölkerung Mayottes aus – eine Zahl, die sowohl Chancen als auch Herausforderungen birgt.
Die illegale Migration stellt die lokalen Behörden vor enorme Probleme. Viele Neuankömmlinge landen in den ohnehin überfüllten und oft menschenunwürdigen Bidonvilles (Elendsvierteln), was die sozialen Spannungen auf der Insel weiter verschärft. Die französische Regierung hat mehrfach versucht, auf diese Situation zu reagieren. Eine der umstrittensten Maßnahmen war die von Gérald Darmanin, dem damaligen Innenminister, initiierte „Operation Wuambushu“. Ziel dieser Aktion war es, illegale Siedlungen zu räumen und Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung zurückzuführen. Doch diese Maßnahmen wurden sowohl von Menschenrechtsorganisationen als auch von der lokalen Bevölkerung kritisch aufgenommen. Während einige sie als notwendigen Schritt zur Wiederherstellung von Ordnung betrachteten, sahen andere darin eine humanitäre Katastrophe.
Die Unsicherheit auf der Insel wird durch die angespannte soziale Lage noch verstärkt. Viele Einwohner berichten von steigender Gewalt, Einbrüchen und Übergriffen, die in Verbindung mit den wirtschaftlichen Problemen stehen. Die Präsenz von Polizeikräften wurde zwar erhöht, doch grundlegende strukturelle Lösungen fehlen weiterhin. Die Kombination aus Armut, Überbevölkerung und mangelnder staatlicher Unterstützung schafft einen Nährboden für Konflikte.
Mayotte steht vor enormen Herausforderungen, die nur durch langfristige und umfassende Maßnahmen gelöst werden können. Der Wiederaufbau nach dem Zyklon Chido wird noch Jahre dauern, doch auch darüber hinaus bleibt die Frage, wie Frankreich sein ärmstes Département aus der Krise führen kann. Der Balanceakt zwischen der Verbesserung der Lebensbedingungen, der Bewältigung der Migrationskrise und der Förderung sozialer Stabilität ist entscheidend für die Zukunft dieser Insel im Indischen Ozean.
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