In Montauban (Tarn-et-Garonne) herrscht Aufruhr: Die aktuelle Ausgabe des städtischen Journals enthält eine historische Aufnahme des umstrittenen Marschalls Pétain zur Ankündigung der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung der Stadt am 19. August. Die Opposition fordert lautstark Entschuldigungen.
Unter der Überschrift „80. Jahrestag der Befreiung von Montauban“ prangt ein Bild von Marschall Pétain, aufgenommen im November 1940 in Montauban. Dieses Bild löst bei vielen Empörung und Unverständnis aus – besonders bei Arnaud Hilion, dem Vorsitzenden der sozialistischen Föderation des Departements und Oppositionspolitiker in der Stadt. „Mine erste Reaktion ist Unverständnis“, beklagt Hilion.
Heftige Kritik und Forderungen nach Entschuldigungen
Die Veröffentlichung des Bildes ruft nicht nur bei den Sozialisten Entsetzen hervor. Olivier Fournet, Sekretär der sozialistischen Föderation für Menschenrechte, zeigt sich entrüstet: „Es ist inakzeptabel, dass das städtische Journal auch nur implizit eine verzerrte Geschichtsdarstellung verbreitet. Wir fordern eine Entschuldigung für diese unerträgliche Veröffentlichung.“
Fournet und die Opposition verlangen zumindest eine Entschuldigung im nächsten Stadtjournal, noch vor den Feierlichkeiten am 19. August. Diese Forderung bleibt bislang ungehört.
Keine Entschuldigung von der Bürgermeisterin
Die Bürgermeisterin Brigitte Barèges, die bei der letzten Wahl unter der Fahne der Republikaner und in Allianz mit dem Rassemblement National gewählt wurde, hält sich bedeckt. Auf Anfragen des Senders France Bleu Occitanie reagierte sie nicht mit einem persönlichen Interview, sondern ließ dem Sender lediglich eine schriftliche Stellungnahme zukommen. Darin erklärt sie: „Ich bin stolz darauf, mich in der Tradition von General de Gaulle zu sehen, der am 18. Juni 1940 Frankreich zum Widerstand gegen Pétain aufgerufen hat.“
Entschuldigungen? Fehlanzeige. Barèges scheint nicht einmal zu erkennen, dass ein Fehler begangen wurde. Diese Haltung gießt weiter Öl ins Feuer und vertieft die Gräben zwischen der Stadtführung und der Opposition. Es stellt sich die Frage, ob die Bürgermeisterin damit den richtigen Ton getroffen hat.
Historische Verantwortung und moderne Politik
Diese Kontroverse wirft ein Schlaglicht auf den Umgang mit der Geschichte und deren Instrumentalisierung in der modernen Politik. Für viele Franzosen bleibt Marschall Pétain ein Symbol für die düstersten Kapitel der französischen Geschichte – die Zusammenarbeit mit den Nazis und die Unterdrückung der Résistance. Dass dieses Bild ausgerechnet im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zur Befreiung Montalbans gezeigt wird, empfinden viele als Affront und Geschichtsverfälschung.
Dabei sollte gerade die Erinnerung an die Befreiung ein Anlass sein, um die Heldentaten der Widerstandskämpfer und die Rückkehr zur Freiheit zu feiern. Ein Foto von Pétain, einem Kollaborateur, passt hier so gar nicht ins Bild.
Politisches Kalkül oder unbeabsichtigter Fehler?
Doch war es tatsächlich politisches Kalkül oder schlicht ein unbeabsichtigter Fehler? Diese Frage bleibt offen. Fakt ist jedoch, dass die Veröffentlichung im städtischen Journal viele Menschen verletzt und polarisiert hat. Für die Oppositionspolitiker wie Hilion und Fournet ist klar: Eine Entschuldigung muss her – und zwar schnell.
Die Kontroverse um das Pétain-Bild zeigt, wie sensibel der Umgang mit der Geschichte ist und wie schnell politische Spannungen daraus entstehen können. In einer Zeit, in der die französische Gesellschaft ohnehin gespalten erscheint, wirken solche Vorfälle wie ein Brandbeschleuniger. Es bleibt abzuwarten, ob die Stadtverwaltung von Montauban einen Weg findet, die Wogen zu glätten und die Gedenkfeiern am 19. August zu einem einigenden Ereignis zu machen. Oder wird diese Episode in die Annalen der Stadt als ein weiteres Kapitel der Spaltung eingehen?
Wie auch immer – eines ist sicher: Die Diskussionen um Geschichte und Erinnerungskultur werden Frankreich weiterhin begleiten. Und das ist auch gut so. Denn nur wer die Vergangenheit versteht, kann die Gegenwart gestalten und die Zukunft verantwortungsvoll planen.
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