Die Lage in dem französischen Überseeterritorium Neukaledonien bleibt angespannt. Seit den Unruhen im Mai 2024 hat sich das Leben auf dem Inselarchipel drastisch verändert. Viele Menschen haben sich mittlertweile entschlossen, den pazifischen Inselstaat zu verlassen – das Gefühl der Unsicherheit hat sie dazu getrieben.
Ein Leben auf der Kippe
Natasha Krzyzynski lebte 14 Jahre lang in einem ruhigen Viertel in den Hügeln von Nouméa. Bis zu diesem verhängnisvollen Mai-Nacht, als die Unruhen ausbrachen und alles veränderten. Bis dahin kannte sie keine Unsicherheit in ihrem Viertel. Dann wurde eines Nachts das Auto ihres Nachbarn in Brand gesetzt.
Natasha erzählt, wie es ihr erging: „Wir saßen abends da, lauschten auf jedes Geräusch und hatten ständig Angst.“ Ihre Augen erzählen den Rest der Geschichte – Müdigkeit und Angst. Kein Zustand, in dem man ein kleines Kind großziehen möchte. Mit ihrem Partner und ihrem fünfjährigen Sohn hat sie schließlich die Entscheidung getroffen: Sie packen ihre Koffer und verlassen Neukaledonien.
Und sie sind nicht die Einzigen.
„Zu verkaufen“ – Schilder überall
Der Immobilienmarkt in Nouméa boomt. Aber nicht so, wie man vielleicht denkt. Die Zahl der Häuser, die zum Verkauf stehen, ist sprunghaft angestiegen. Antoine Azevedo, ein Immobilienmakler, der seit 18 Jahren in Neukaledonien arbeitet, berichtet von einer Flut an Anfragen. „Ich habe so viele Anträge wie noch nie auf meinem Schreibtisch. Die Leute wollen einfach weg.“ In einigen Vierteln sieht man in fast jeder Straße Schilder mit der Aufschrift „Zu verkaufen“ oder „Zu vermieten“. Eine Welle des Aufbruchs erfasst die gesamte Stadt.
Die Unsicherheit, die durch die Aufstände ausgelöst wurde, hat sich tief in die Psyche der Menschen eingebrannt. Wer könnte es ihnen verdenken? Niemand will in ständiger Angst leben müssen. Besonders dann, wenn das eigene Zuhause – der Ort, an dem man sich uneingeschränkt sicher fühlen sollte – zu einer Quelle von Stress und Unsicherheit wird.
Leere Krankenhäuser im Norden
Doch es sind nicht nur Familien, die das Land verlassen. Auch Fachkräfte kehren Neukaledonien den Rücken. In Koumac, im Norden des Archipels, sind die Folgen besonders spürbar. Dort gibt es inzwischen keinen einzigen Arzt mehr im örtlichen Krankenhaus. Der Direktor des Krankenhauses, Joachim Tutugoro, beschreibt die trostlose Situation so: „Die Betten sind zusammengeklappt, die Stationen leer. Es bleiben nur noch die Notdienste.“
Wie soll eine Gesellschaft funktionieren, wenn es nicht einmal genügend Ärzte gibt? Die medizinische Versorgung ist ein grundlegendes Bedürfnis – und wenn diese zusammenbricht, wird die Unsicherheit noch größer.
Der Wendepunkt
Die Frage, die sich jetzt stellt: Wohin führt diese Entwicklung? Wird die neue französische Regierung handeln, um die Situation zu stabilisieren, oder sehen wir hier den Anfang vom Ende einer Ära in Neukaledonien? Wenn selbst die Menschen, die seit Jahrzehnten auf der Insel leben, die Flucht ergreifen, ist klar, dass die Situation ernst ist.
Für viele bleibt nur noch eine Hoffnung: dass die politische und gesellschaftliche Lage sich wieder beruhigt und es eine Zukunft für Neukaledonien gibt, die ohne Angst und Unsicherheit auskommt.
Aber im Moment scheint diese Hoffnung in weiter Ferne zu liegen.
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