Tag & Nacht

Zwölf Tage vor dem ersten Wahlgang der Parlamentswahlen hat der Vorsitzende des Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, klargestellt, dass er ohne eine absolute Mehrheit „nicht handeln“ könne.

Bardella, der während der Europawahlkampagne mit vielen Versprechungen auftrat, geht jetzt vorsichtiger mit der Umsetzung seines Programms um. Am Dienstag, dem 18. Juni, stellte der RN-Präsident sogar Bedingungen für seinen Einzug ins Amt des Premierministers: „Ich werde eine absolute Mehrheit benötigen. Wenn wir in einer relativen Mehrheitslage sind, wie es seit der Wiederwahl von Emmanuel Macron 2022 der Fall ist, dann kann der Premierminister nicht handeln. Ich werde den Franzosen keine Maßnahmen oder Aktionen versprechen, die ich nicht umsetzen kann.“

Ein Rückzieher?

Das bedeutet: Jordan Bardella wird das Amt des Premierministers nur annehmen, wenn das Rassemblement National mindestens 289 Sitze in der Nationalversammlung erhält. Der amtierende Premierminister, Gabriel Attal, sieht darin ein Zeichen des Rückzugs. Diese Klarstellung Bardellas folgt auf mehrere Kursänderungen, insbesondere bei der Rücknahme der Rentenreform.

Die Herausforderung der absoluten Mehrheit

Das Ziel einer absoluten Mehrheit ist für Bardella keine leichte Aufgabe. Der RN müsste nicht nur seine bisherigen Sitze verteidigen, sondern auch signifikant hinzugewinnen. Angesichts der politischen Landschaft und der jüngsten Umfrage-Ergebnisse scheint dies eine ehrgeizige, wenn nicht gar unrealistische Vorgabe.

Doch Bardella bleibt standhaft und gibt sich selbstbewusst. Er setzt auf die Unzufriedenheit vieler Wähler mit der derzeitigen Regierung und hofft, dass seine klaren Ansagen und seine kritische Haltung gegenüber dem politischen Establishment ihm den nötigen Rückhalt verschaffen werden.

Was bedeutet das für die Wähler?

Für die französischen Wähler bedeutet Bardellas Forderung nach einer absoluten Mehrheit eine klare Ansage. Er möchte nicht in eine Situation geraten, in der er Kompromisse eingehen oder seine politischen Ziele verwässern müsste. Doch ob die Wähler ihm diese bedingungslose Unterstützung gewähren, bleibt abzuwarten.

Eine spannende Frage stellt sich: Werden die Wähler diese Klarheit und Entschlossenheit belohnen, oder wird Bardellas harte Linie ihn eher isolieren? Sicher ist, dass die kommenden Wochen entscheidend sein werden – nicht nur für Bardella und den RN, sondern für die politische Zukunft Frankreichs.

Politische Kalkulation oder Realitätssinn?

Kritiker werfen Bardella vor, sich mit dieser Forderung ein Hintertürchen offen zu lassen. Sollte der RN die absolute Mehrheit verfehlen, könnte Bardella behaupten, er habe von Anfang an klare Bedingungen gestellt und somit eine Ausrede für ein mögliches Scheitern parat haben.

Andere sehen darin einen realistischen Blick auf die Schwierigkeiten, ohne eine stabile Mehrheit regieren zu können. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, wie schwierig es in Frankreich ist, mit einer relativen Mehrheit eine kohärente und durchsetzungsfähige Regierung zu bilden.

Es bleibt abzuwarten, wie die Wähler auf Bardellas Bedingungen reagieren werden. Sicher ist, dass seine Klarstellung die Debatte um die Parlamentswahlen weiter anheizt und die Spannung bis zum Wahltag hoch hält.

Werden die Franzosen Bardellas Vision teilen und ihm das Mandat geben, das er fordert? Oder wird sich die politische Landschaft Frankreichs erneut als zu fragmentiert erweisen, um eine klare Mehrheit zu ermöglichen? Die kommenden Tage und Wochen werden es zeigen – und wir dürfen gespannt sein.


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