Frankreich steht – mal wieder – an einem Scheideweg. Nach der historischen Abstimmung, die zur Absetzung der Regierung Barnier führte, brodelt es in Paris – und Präsident Emmanuel Macron macht seinem Ärger über die politische Landschaft Luft. Doch wie geht es jetzt weiter?
Ein Rücktritt und viele Fragen
Am Morgen des 5. Dezember trifft sich Michel Barnier mit Emmanuel Macron, um offiziell seinen Rücktritt einzureichen. Ein Schritt, der zwar erwartet wurde, aber dennoch Fragen aufwirft: Wer wird die Nachfolge antreten? Und vor allem, wann wird eine neue Regierung stehen? Die Unsicherheit ist groß, der Druck auf Macron enorm. Am Abend um 20 Uhr soll er sich in einer Fernsehansprache an die Nation wenden, um eine Richtung vorzugeben. Doch welche Lösung hat der Präsident in der Hinterhand?
Macrons Wut hinter verschlossenen Türen
Kaum war das Ergebnis der Abstimmung bekannt, ließ Macron seinem Frust freien Lauf. „Diese Koalition der Verantwortungslosen muss sich vor den Franzosen verantworten“, soll er in kleinem Kreis gesagt haben. Der Vorwurf: Ein „antirepublikanisches Bündnis“ aus Extremrechten, -linken und Sozialisten habe gegen das Interesse des Landes gehandelt.
Ein harter Vorwurf, der zeigt, wie angespannt die Lage ist. Noch wenige Tage zuvor hatte Macron in Saudi-Arabien vor Journalisten Optimismus verbreitet: „Ich vertraue auf die Kohärenz der Menschen“, sagte er damals und betonte, dass Stabilität das höchste Gut sei. Doch der Optimismus wich schnell der Realität – und Macrons Unverständnis über den Verlust der parlamentarischen Mehrheit.
Eine politische Achterbahnfahrt
Der Zusammenbruch der Regierung kommt nicht aus heiterem Himmel. Die letzten Wochen waren von Spannungen zwischen dem Élysée-Palast und der Nationalversammlung geprägt. Zwar versuchte die Regierung, durch Zugeständnisse Kompromisse zu erzielen, doch die politischen Lager blieben starr. Macron machte klar: „Entweder man ist ernsthaft, oder man ist es nicht.“ Die Worte wirken wie ein Echo auf die tiefen Gräben, die sich zwischen den politischen Blöcken auftun.
Ein Beispiel? Laut Yaël Braun-Pivet, Präsidentin der Nationalversammlung, hat die politische Klasse insgesamt versagt: „Wir haben es nicht geschafft, ausreichend zusammenzuarbeiten.“ Eine ernüchternde Diagnose in einem ohnehin schon krisengeschüttelten Land.
Die Jagd nach einem neuen Premierminister
Nach dem Rücktritt von Barnier stellt sich nun die drängende Frage: Wer wird der nächste Premierminister? Während es offiziell noch keine Namen gibt, sind die Erwartungen hoch, dass Macron diesmal schneller handelt als bei der Ernennung Barniers, die sich über fast zwei Monate zog.
Doch wen kann Macron nominieren, der sowohl die politische Mitte stärkt als auch die Gemüter beruhigt? Eine rhetorische Frage, die zeigt, wie verzwickt die Lage ist. Denn die nächsten Wochen könnten darüber entscheiden, ob Macron die zweite Hälfte seiner Amtszeit einigermaßen stabil gestalten kann – oder ob sein Einfluss weiter erodiert.
Eine Nation am Scheideweg
Die heutige politische Unsicherheit ist beispiellos. Frankreich, eine Nation, die traditionell stolz auf ihre republikanischen Werte ist, steht vor einer schwierigen Phase. Die Absetzung der Regierung ist ein historischer Präzedenzfall – und ein Warnsignal. Doch gleichzeitig bietet diese Krise auch eine Chance: Die Möglichkeit, die politischen Fronten neu zu sortieren und den Dialog zwischen den Parteien zu beleben.
Macrons Ansprache heute Abend wird ein entscheidender Moment sein. Kann er die Franzosen beruhigen, Vertrauen aufbauen und eine klare Vision präsentieren? Eines ist sicher: Die Augen der Nation – und der Welt – sind auf ihn gerichtet.
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