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Die politische Landschaft Rumäniens erlebte am 24. November 2024 eine unerwartete Erschütterung. Călin Georgescu, ein unabhängiger Kandidat mit populistischen und pro-russischen Ansichten, erzielte im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen einen überraschenden Sieg. Mit etwa 23 % der Stimmen setzte er sich gegen etablierte Politiker durch und löste sowohl national als auch international Besorgnis aus.

Ein unerwarteter Aufstieg

Georgescus Erfolg kam für viele überraschend. Vor den Wahlen wurde ihm in Umfragen ein Stimmenanteil von weniger als 10 % prognostiziert. Sein Sieg im ersten Wahlgang zeigt eine tiefe Unzufriedenheit der Wähler mit dem politischen Establishment und eine wachsende Anziehungskraft populistischer Botschaften.

Wer ist Călin Georgescu?

Geboren am 26. März 1962 in Bukarest, ist Georgescu ein Agraringenieur und Experte für nachhaltige Entwicklung. Er war in verschiedenen Positionen bei den Vereinten Nationen tätig, darunter als Exekutivdirektor des Global Sustainable Index Institute in Genf und Vaduz. Trotz seiner beeindruckenden Karriere in internationalen Organisationen ist er in Rumänien vor allem für seine kontroversen politischen Ansichten bekannt.

Politische Positionen und Kontroversen

Georgescu hat wiederholt seine Bewunderung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Ausdruck gebracht und die NATO-Mitgliedschaft Rumäniens kritisiert. Er bezeichnete die Stationierung des NATO-Raketenabwehrsystems in Deveselu als „Schande der Diplomatie“ und argumentierte, dass Rumänien von der „russischen Weisheit“ profitieren sollte. Solche Aussagen haben Bedenken hinsichtlich einer möglichen Neuausrichtung der rumänischen Außenpolitik geweckt.

Wahlkampfstrategien und soziale Medien

Ein entscheidender Faktor für Georgescus Erfolg war seine intensive Nutzung sozialer Medien, insbesondere TikTok. Seine Videos erreichten Millionen von Aufrufen und sprachen vor allem jüngere Wähler an. Durch die Verbreitung populistischer und anti-establishment Botschaften konnte er eine breite Anhängerschaft mobilisieren.

Reaktionen und Konsequenzen

Die Ergebnisse des ersten Wahlgangs haben Schockwellen durch die rumänische Politik gesandt. Marcel Ciolacu, der amtierende Premierminister und Kandidat der Sozialdemokratischen Partei (PSD), wurde mit knappem Rückstand auf den dritten Platz verwiesen und verpasste somit die Stichwahl. Dies markiert das erste Mal seit 35 Jahren, dass die PSD nicht im zweiten Wahlgang vertreten ist. Ciolacu trat daraufhin als Parteivorsitzender zurück, bleibt jedoch bis zu den Parlamentswahlen im Amt.

Elena Lasconi, eine zentristische Liberale und ehemalige Journalistin, erreichte mit 19,18 % der Stimmen den zweiten Platz und wird in der Stichwahl am 8. Dezember gegen Georgescu antreten. Ihre pro-europäischen und pro-westlichen Positionen stehen in starkem Kontrast zu Georgescus Ansichten, was die bevorstehende Stichwahl zu einem entscheidenden Moment für die zukünftige Ausrichtung Rumäniens macht.

Internationale Besorgnis

Rumänien spielt eine Schlüsselrolle in der NATO und beherbergt wichtige militärische Einrichtungen, darunter eine US-Raketenabwehrbasis. Georgescus mögliche Präsidentschaft könnte zu einer Neuausrichtung der rumänischen Außen- und Sicherheitspolitik führen, was bei westlichen Partnern Besorgnis hervorruft. Oana Lungescu, ehemalige NATO-Sprecherin, betonte die Bedeutung Rumäniens für die europäische Sicherheit und warnte vor den Risiken einer politischen Veränderung.

Ausblick auf die Stichwahl

Die bevorstehende Stichwahl wird entscheidend für die zukünftige Richtung Rumäniens sein. Während Lasconi für Kontinuität in der pro-westlichen Ausrichtung steht, verspricht Georgescu eine Abkehr vom bisherigen Kurs und eine Annäherung an Russland. Die Wähler stehen vor einer klaren Wahl zwischen zwei gegensätzlichen Visionen für die Zukunft des Landes.

Fazit

Călin Georgescus Erfolg im ersten Wahlgang der rumänischen Präsidentschaftswahlen spiegelt eine wachsende Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment wider und wirft Fragen über die zukünftige Ausrichtung des Landes auf. Die bevorstehende Stichwahl wird nicht nur für Rumänien, sondern auch für seine internationalen Partner von großer Bedeutung sein.


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