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Die EU rüstet auf – nicht militärisch, sondern sicherheitspolitisch. Mit der neuen Strategie „ProtectEU“, die am 1. April 2025 von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde, will die Union ihre Widerstandsfähigkeit gegen moderne Bedrohungen deutlich steigern. Ob Terrorismus, organisierte Kriminalität, Cyberangriffe oder Attacken auf kritische Infrastrukturen – die Herausforderungen sind vielfältig, grenzüberschreitend und technisch hochentwickelt.

Doch kann man Sicherheit schaffen, ohne Freiheitsrechte zu opfern?

Mehr Macht für Europol und Frontex

Ein zentraler Baustein der ProtectEU-Strategie ist die Stärkung europäischer Behörden. Europol soll künftig nicht mehr nur eine beratende Rolle spielen, sondern bei internationalen Großermittlungen aktiv operativ eingreifen dürfen. Ein Novum mit Potenzial – und Sprengkraft. Denn bisher waren polizeiliche Eingriffe strikt national geregelt.

Auch Frontex erhält mehr Personal und modernste Technologie, um die EU-Außengrenzen effizienter zu überwachen. Von Drohnen über KI-gestützte Analysen bis hin zu biometrischen Systemen – das Repertoire wächst rasant. Kritiker warnen allerdings vor einem „Überwachungsstaat durch die Hintertür“.

Der digitale Schauplatz – Kampf gegen Cyberkriminalität

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der digitalen Sicherheit. Die EU will ihre technologische Souveränität stärken, insbesondere im Bereich Cloud-Computing und bei kritischer Infrastruktur. Ziel ist es, europäische Standards zu schaffen – unabhängig von US-amerikanischen oder chinesischen Systemen.

Ein besonders umstrittenes Thema ist der Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation. Ermittler fordern, in verschlüsselte Chats eindringen zu dürfen, um Straftaten besser aufklären zu können. Datenschützer schlagen Alarm: Wird hier die digitale Privatsphäre der Bürger aufs Spiel gesetzt?

Die Kommission verspricht Ausgewogenheit – und arbeitet an einer Roadmap, um technische Lösungen zu finden, die Strafverfolgung ermöglichen, ohne die Integrität verschlüsselter Kommunikation grundsätzlich zu gefährden. Klingt gut – aber klappt das auch in der Praxis?

Sicherheit ist Teamarbeit

Neu ist auch der integrative Ansatz von ProtectEU. Es geht nicht nur um Polizei und Geheimdienste. Auch Unternehmen, Universitäten, NGOs und Bürger sollen Teil eines gemeinsamen Sicherheitsbewusstseins werden. Aufklärungskampagnen, gemeinsame Forschungsprojekte und regelmäßiger Austausch sollen die europäische Sicherheitskultur nachhaltig prägen.

Die Idee: Sicherheit ist keine Einbahnstraße. Sie lebt von Vertrauen, Transparenz – und der aktiven Beteiligung aller.

Zwischen Vision und Wirklichkeit

Doch jede Strategie steht und fällt mit ihrer Umsetzung. Und hier lauern gleich mehrere Stolpersteine: Uneinigkeit unter den Mitgliedstaaten, rechtliche Hürden, technische Komplexität – und nicht zuletzt die Frage: Wie viel Überwachung ist zu viel?

Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit bleibt der heikle Kern dieses Plans. Denn was bringt eine sichere Gesellschaft, wenn sich die Menschen darin nicht mehr frei fühlen?

Ein europäischer Drahtseilakt

ProtectEU ist ambitioniert – und notwendig. Die Bedrohungslage hat sich verändert, der Sicherheitsapparat muss nachziehen. Die EU versucht, proaktiv zu handeln, statt nur zu reagieren. Doch das Misstrauen gegenüber staatlicher Datensammlung ist groß – und gewachsen durch frühere Fehltritte.

Ob ProtectEU ein Meilenstein oder ein Stolperstein wird, hängt davon ab, wie ernst die Kommission den Schutz der Grundrechte nimmt – und wie transparent sie bei der Umsetzung vorgeht.

Eines ist jedenfalls klar: Wer Sicherheit verspricht, muss auch Vertrauen schaffen. Und das ist oft der schwerste Teil.

Von M.A.B.

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