Mai steht in Frankreich traditionell für verlängerte Wochenenden – und seit jeher auch für soziale Spannungen. Dieses Jahr könnte es ganz besonders turbulent werden. Gleich mehrere Gewerkschaften der französischen Staatsbahn SNCF rufen zu Streiks auf – und das ausgerechnet vor und während des langen Wochenendes rund um den 8. Mai. Die Aussichten auf eine reibungslose Reisezeit? Ziemlich getrübt.
Wer steckt hinter dem Streikaufruf?
Den Anfang machte SUD-Rail. Die Gewerkschaft ist bekannt für ihren kämpferischen Kurs und rief schon Anfang April zur Mobilisierung auf. Schnell folgte ein informeller, aber schlagkräftiger Zusammenschluss von Zugbegleiterinnen und Zugbegleitern – derselbe, der bereits Weihnachten 2022 und im Februar 2024 für mächtig Wirbel auf den Schienen gesorgt hatte.
Auch Force Ouvrière, die fünftgrößte Gewerkschaft bei der SNCF, schloss sich dem Aufruf an. Und als dann noch die CGT-Cheminots einstieg – die stärkste Gewerkschaft im Unternehmen –, war klar: Das wird keine Randnotiz. Zum ersten Mal richtet sich der Streikaufruf nicht nur an das Bordpersonal, sondern auch an die Lokführer.
Wann wird gestreikt?
Die Planungen sind taktisch klug gewählt. SUD-Rail und der erwähnte Kontrolleurskollektiv rufen zur Arbeitsniederlegung vom Mittwoch, 7. Mai, bis einschließlich Sonntag, 11. Mai, auf. Der Donnerstag, 8. Mai, selbst ist ein gesetzlicher Feiertag – der Streik schließt ihn also ein, was juristisch relevant sein könnte.
Die CGT-Cheminots legt allerdings noch eine Schippe drauf: Sie will bereits am Montag, den 5. Mai, mit dem Streik beginnen. Das bedeutet: Wer am Anfang der Woche pendeln oder verreisen will, sollte sich warm anziehen. Der Bahnverkehr könnte bis zu sieben Tage lang durcheinandergewirbelt werden.
Was fordern die Beschäftigten?
Es geht – wie so oft – ums Geld. Aber nicht nur. Die Gewerkschaften prangern unfaire Arbeitsbedingungen an, etwa kurzfristige Dienstplanänderungen, die das Privatleben der Mitarbeitenden regelmäßig über den Haufen werfen.
Für das Zugpersonal fordert die CGT eine deutliche Anhebung der sogenannten „prime de travail“ – einer Arbeitszulage, die derzeit als nicht mehr zeitgemäß empfunden wird. Und die neuen digitalen Planungssysteme? Laut Gewerkschaft führen sie zu Verwirrung, Stress und einer Verschlechterung der Kommunikation zwischen Führungspersonal und Mitarbeitenden.
Auch die Lokführer pochen auf Nachbesserung – insbesondere bei der sogenannten „prime traction“, einer kilometerbasierten Prämie, die trotz gestiegener Belastung seit Jahren nicht angepasst wurde. „Ein veraltetes, ungerechtes System“, klagt Axel Persson, Sprecher der CGT-Cheminots für Trappes und Rambouillet.
Wie groß werden die Auswirkungen sein?
Noch lässt sich schwer abschätzen, wie heftig der Streik den Bahnverkehr treffen wird. Doch klar ist: Die CGT und SUD-Rail gemeinsam repräsentieren über 50 Prozent der Mitarbeitenden der SNCF – das heißt, wenn sie mobilisieren, hat das Gewicht. Force Ouvrière kommt noch obendrauf.
Die beiden anderen großen Gewerkschaften, Unsa (22,1 %) und CFDT (15,94 %), halten sich bisher zurück – was die Lage etwas entschärfen könnte. Doch ob das reicht?
Und die SNCF?
Die Unternehmensleitung versucht, ruhig zu bleiben. Man setze auf „sozialen Dialog“, erklärte SNCF-Chef Christophe Fanichet – und zeigte sich Anfang April bei einem Radiointerview noch „sehr zuversichtlich“, dass dieser Dialog zu einem guten Ergebnis führen werde.
Doch hinter den Kulissen ist die Nervosität spürbar. Denn im Jahr 2025 ist die SNCF nicht mehr Monopolist, sondern muss sich gegen private Anbieter behaupten. Ein ausgedehnter Streik zur Ferienzeit? Ein gefundenes Fressen für die Konkurrenz – und eine Ohrfeige für das eigene Image.
Was bedeutet das für die Fahrgäste?
Ganz ehrlich? Wer im Mai verreisen will, sollte sich Alternativen bereithalten. Auch wenn noch nicht offiziell bekannt ist, wie stark die Ausfälle sein werden – bei dieser Konstellation kann es richtig ungemütlich auf den Bahnsteigen werden.
Und wer denkt, das sei doch jedes Jahr dasselbe, der irrt: Die aktuelle Bündelung mehrerer Gewerkschaften und Berufsgruppen, gepaart mit den ohnehin angespannten wirtschaftlichen Bedingungen, deutet auf einen Konflikt mit Potenzial zur Eskalation hin.
Catherine H.
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