Tag & Nacht

Pavel Durow, der Gründer und CEO von Telegram, steht derzeit im Zentrum eines hitzigen Rechtsstreits in Frankreich – und er findet die Anschuldigungen gegen ihn „überraschend“ und „falsch“. Er wurde verhaftet und angeklagt, weil auf seiner Plattform illegale Inhalte veröffentlicht wurden. In einem ausführlichen Statement auf Telegram reagierte er am 5. September auf die Vorwürfe und brachte seine Verwunderung zum Ausdruck, warum er als Verantwortlicher für die Handlungen Dritter auf seiner Plattform herhalten soll.

Alte Gesetze für eine neue Welt?

„Es ist befremdlich, mit Gesetzen aus der Vor-Smartphone-Ära konfrontiert zu werden, um einen CEO für die Straftaten anderer verantwortlich zu machen“, schrieb der 39-jährige Tech-Milliardär. Mit klaren Worten verteidigte er sich gegen die Anschuldigungen und machte deutlich, dass Telegram nicht, wie manche behaupten, ein „anarchisches Paradies“ sei. Vielmehr sei die Plattform bestrebt, illegale Inhalte aktiv zu bekämpfen. „Wir löschen täglich Millionen schädlicher Nachrichten und Kanäle“, betonte Durow.

In seinem Post kritisierte er auch die französischen Behörden, die behaupten, Telegram hätte auf deren Anfragen nicht reagiert. Durow widersprach entschieden und erklärte, er habe persönlich mitgeholfen, eine „Hotline“ für die französischen Behörden einzurichten, um Bedrohungen durch Terroristen zu begegnen. Ein Vorwurf, der ihn offensichtlich ärgerte – schließlich wirft man ihm Untätigkeit vor, obwohl er nach eigener Aussage aktiv zur Lösung beigetragen hat.

Ein Balanceakt zwischen Sicherheit und Privatsphäre

Am Ende seines Beitrags zeigte sich Durow jedoch konziliant. Er räumte ein, dass der immense Nutzerzuwachs bei Telegram – weltweit sind es inzwischen etwa 950 Millionen Menschen – neue Herausforderungen mit sich gebracht habe, die es Kriminellen leichter machten, die Plattform zu missbrauchen. Das sei ein Problem, dessen er sich bewusst sei und das intern bereits analysiert werde.

Durow versicherte, dass es sein persönliches Ziel sei, Telegram „sicherer“ zu machen, ohne die Privatsphäre der Nutzer zu gefährden – ein Balanceakt, mit dem auch andere soziale Netzwerke zu kämpfen haben. Er kündigte an, dass es in Zukunft weitere Maßnahmen und Verbesserungen geben werde, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden.

Was steht auf dem Spiel?

Die Zukunft von Telegram in Frankreich steht auf dem Spiel. Durow ließ keinen Zweifel daran, dass sein Unternehmen bereit sei, das Land zu verlassen, falls man sich nicht auf einen angemessenen Kompromiss zwischen Sicherheit und Privatsphäre einigen könne. „Wenn wir uns nicht mit den lokalen Regulierungsbehörden auf ein gutes Gleichgewicht einigen können, dann sind wir bereit, dieses Land zu verlassen“, sagte er unmissverständlich.

Das zeigt – Durow hat nicht vor, sich einfach zu fügen. Aber kann man es ihm verübeln? In einer Zeit, in der der Schutz der Privatsphäre und die Sicherheit im Netz ständig im Spannungsfeld stehen, scheint es nahezu unmöglich, es allen recht zu machen. Vor allem nicht, wenn man fast eine Milliarde Nutzer weltweit bedient.

Internationale Reaktionen

Die Angelegenheit hat nicht nur in Frankreich, sondern auch international Wellen geschlagen. Dmitri Peskov, der Sprecher des russischen Präsidenten, warnte, dass diese Anklage gegen einen „russischen Staatsbürger“ nicht in eine politische Verfolgung ausarten dürfe. Es scheint, als sei der Fall Durow nicht nur ein juristischer, sondern auch ein geopolitischer.

Unterstützung erhält Durov von hochkarätigen Persönlichkeiten wie Edward Snowden, dem Whistleblower, der inzwischen in Russland lebt, und Elon Musk, der den Hashtag #FreePavel auf Twitter verbreitet hat. Der Fall hat also längst die Aufmerksamkeit prominenter Stimmen gewonnen – und das wird die französischen Behörden sicher weiter unter Druck setzen.

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Rechtslage in Frankreich

Durows rechtliche Lage in Frankreich ist nicht gerade komfortabel. Nachdem er vier Tage in Polizeigewahrsam verbracht hat, wurde er unter strenge gerichtliche Auflagen gestellt. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, die Verbreitung illegaler Inhalte auf seiner Plattform nicht ausreichend bekämpft zu haben. Darüber hinaus darf er das Land nicht verlassen, und ihm wurde eine Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro auferlegt. Zweimal pro Woche muss er sich bei der Polizei melden.

Trotz dieser widrigen Umstände gibt Durow sich zuversichtlich, dass die momentanen Schwierigkeiten dazu beitragen werden, Telegram – und die gesamte Social-Media-Branche – sicherer und robuster zu machen. „Ich hoffe, dass die Ereignisse im August dazu führen werden, dass Telegram und der gesamte Sektor der sozialen Netzwerke sicherer und stärker werden“, schrieb er.

Der Fall um Pavel Durow wirft erneut die Frage auf, wie viel Verantwortung Betreiber von Online-Plattformen tragen sollten. Sind sie für alles verantwortlich, was ihre Nutzer veröffentlichen, oder gibt es Grenzen? Durow steht fest zu seiner Überzeugung, dass er nicht für die Verfehlungen anderer verantwortlich gemacht werden kann – und damit steht er nicht alleine.

Eines ist sicher: Der Fall wird uns noch eine Weile beschäftigen. Die Konfrontation zwischen staatlicher Regulierung und dem Wunsch nach Freiheit im digitalen Raum spitzt sich weiter zu – und Telegram steht derzeit im Zentrum dieser Diskussion.


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