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Sieben Familien in Frankreich verklagen TikTok und werfen der Plattform vor, ihre Kinder durch einen unkontrollierten Algorithmus gefährlichen Inhalten ausgesetzt zu haben. Der Fall, der am 4. November vor dem Gericht in Créteil verhandelt wird, markiert eine Premiere in Europa: Eltern, deren Kinder durch Videos auf TikTok in eine Abwärtsspirale gerieten, fordern, dass das soziale Netzwerk zur Verantwortung gezogen wird.

TikToks Einfluss auf die mentale Gesundheit – eine Gefahr?

Die Eltern der betroffenen Kinder, alle Mitglieder des Kollektivs „Algos Victima“, beschreiben TikTok als mehr als nur eine harmlose Plattform für Tanzvideos und Mode-Tipps. Vielmehr sprechen sie von einem Netz, das ihre Kinder unbemerkt in dunkle Ecken des Internets führt – Videos, die Selbstverletzung, Suizid und Essstörungen verherrlichen, seien bei den Jugendlichen plötzlich immer häufiger aufgetaucht. Besonders tragisch: Zwei der sieben betroffenen Jugendlichen, beide 15 Jahre alt, nahmen sich das Leben.

Vier weitere Jugendliche versuchten, sich das Leben zu nehmen, und ein Mädchen entwickelte eine schwere Essstörung. Die Eltern erheben daher schwere Vorwürfe gegen TikTok und seinen mächtigen Algorithmus, der maßgeblich dazu beigetragen habe, dass ihre Kinder in eine gefährliche Spirale gerieten.

Algorithmen und ihre Macht: Wie gefährlich ist TikToks System?

TikTok ist für seine präzisen und schnell lernenden Algorithmen bekannt – doch wie weit dürfen diese gehen? Im Fall von Charlize, einem der betroffenen Mädchen, beschreibt ihre Mutter Delphine, wie ihre Tochter durch Mobbing in der Schule vermehrt Trost auf TikTok suchte. Anfangs seien es harmlose Videos gewesen, doch bald darauf habe der Algorithmus ihr Inhalte angeboten, die Depression, Selbstverletzung und weitere selbstzerstörerische Themen behandelten.

Delphine beschreibt ihre Enttäuschung: „TikTok hat den Schmerz meiner Tochter noch verstärkt. Anstatt sie abzulenken, wurde sie mit noch mehr Inhalten konfrontiert, die das Elend nur weiter vertieften.“ Der Vater von Charlize, Jérémy, ist ebenso erschüttert: „TikTok schien eine Plattform für Tanz und Schminktipps zu sein – dass dort Videos kursieren, die genau erklären, wie man sich mit Alltagsgegenständen verletzen kann, ist für mich unfassbar.“

Diese Familie steht stellvertretend für viele andere Eltern, die sich fragen: Ist der Algorithmus einer Plattform wie TikTok noch zu kontrollieren, wenn er die tiefen Emotionen und Ängste junger Menschen aufgreift und verstärkt?

TikToks Versprechen und die Realität

Mit über 21 Millionen Nutzern in Frankreich und weltweit mehr als 1,2 Milliarden aktiven Accounts hat TikTok eine riesige Reichweite. Die Plattform gibt in ihren Richtlinien an, ein „sicheres und positives Umfeld“ bieten zu wollen. TikTok erklärt, Familien mit Ressourcen und Tools unterstützen zu wollen, um den digitalen Alltag zu einem Ort des Wohlbefindens zu machen. Doch genau dieses Versprechen halten die klagenden Eltern für hohl.

Sie argumentieren, dass TikTok seiner Verpflichtung nicht nachkommt, gefährliche Inhalte zu erkennen und Kinder davor zu schützen. Stattdessen seien die Jugendlichen ohne Warnung mit einer Flut an destruktiven Videos konfrontiert worden. Eltern und Anwälte fordern daher eine drastische Überarbeitung des TikTok-Algorithmus sowie einen transparenten und wirksamen Schutz für minderjährige Nutzer.

Suchtgefahr und mangelnde Kontrolle

Neben den Inhalten werfen die Eltern TikTok vor, den Suchtfaktor der Plattform nicht ausreichend zu kommunizieren. So erzählen sie, wie ihre Kinder Stunden um Stunden auf der App verbrachten, oft bis tief in die Nacht – ein Effekt, den TikToks endloser Feed und die personalisierten Empfehlungen gezielt zu verstärken scheinen. Eltern wie Delphine und Jérémy hätten nie erwartet, dass ihre Kinder einer solchen Fülle an belastenden Videos ausgesetzt würden. Für sie liegt die Verantwortung klar bei TikTok, das die psychologische Wirkung seiner Algorithmen unterschätzt habe.

In der Klage wird TikTok vorgeworfen, dass es durch unterlassene Maßnahmen nicht nur die Verbreitung der problematischen Inhalte zuließ, sondern diesen möglicherweise sogar einen größeren Schub verlieh. Der Algorithmus sei für junge Menschen wie ein unkontrollierbarer Strudel, der sie mit einer zerstörerischen Wucht in die Tiefe ziehe.

Wohin führt diese Klage?

Mit der Zivilklage wollen die Eltern erreichen, dass die Justiz TikTok zur Verantwortung zieht und feststellt, dass die Plattform durch ihre Versäumnisse das Wohl ihrer Kinder gefährdete. Der Prozess könnte wegweisend für den Umgang mit sozialen Medien in Europa sein, wo ähnliche Klagen bislang selten sind. Die Kläger hoffen, dass TikTok künftig besser kontrolliert, welche Inhalte Jugendlichen angezeigt werden, und präventive Maßnahmen ergreift, damit der Algorithmus nicht in der Lage ist, instabile Jugendliche in gefährliche mentale Zustände zu versetzen.

Denn eins scheint klar: Der Prozess in Créteil ist nur der Anfang. Sollte die Klage Erfolg haben, könnte sie TikTok und andere Plattformen zu mehr Verantwortung und Transparenz zwingen – und möglicherweise zum Vorbild für weitere Klagen weltweit werden.


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