Manche Menschen hinterlassen Spuren, die auch Jahrzehnte später noch leuchten – Valérie André war eine von ihnen. Die Ärztin, Pilotin und erste französische Frau, die den Rang eines Generals erreichte, verstarb am 21. Januar im Alter von 102 Jahren. Sie war eine Pionierin in einer Welt, die lange Zeit fest in männlicher Hand war.
Ein Mädchen mit großen Träumen
Valérie André wurde 1922 in Straßburg geboren, das zu dieser Zeit ein Symbol für den wechselhaften Verlauf der Geschichte war. Schon als Kind wollte sie hoch hinaus. Mit zehn Jahren verkündete sie selbstbewusst: „Ich werde Fliegerin!“ Ihre Eltern hielten das für eine Phase – doch sie irrten sich.
Mit 17 Jahren nahm sie Flugstunden im örtlichen Aeroclub und lernte das Fliegen auf einem Potez-Flugzeug. Der Krieg unterbrach ihre Ambitionen, doch André gab nicht auf. Stattdessen begann sie ein Medizinstudium in Clermont-Ferrand, entschlossen, trotz aller Hindernisse ihren Weg zu gehen.
Die erste Frau im Cockpit eines Helikopters
Nach dem Krieg folgten Meilensteine in schneller Abfolge. 1948 erwarb André ihren Fallschirmsprungschein, wurde Militärärztin und bald darauf Pilotin – eine Kombination, die sie einzigartig machte. Als sie 1949 nach Indochina entsandt wurde, erkannte sie schnell die Effektivität von Hubschraubern für die Rettung Verwundeter.
„Alles kann man lernen!“, sagte sie später bescheiden. Mit diesem Ansatz erlangte sie als erste Frau in Frankreich den Pilotenschein für Hubschrauber und absolvierte in den frühen 1950er-Jahren über 100 Rettungsflüge. Dabei brachte sie Verwundete sicher aus umkämpften Gebieten – eine Aufgabe, die nicht nur Geschick, sondern auch immense Nervenstärke erforderte.
Zwischen Krieg und Gleichberechtigung
Von Indochina bis Algerien war Valérie André unermüdlich im Einsatz. Allein in Algerien flog sie über 350 Missionen, oft unter Beschuss, und rettete zahllose Leben. Doch nach ihrer Rückkehr nach Frankreich begann ein weiterer Kampf: der für die Gleichberechtigung von Frauen im Militär.
Während sie ihre Karriere im Gesundheitsdienst der Streitkräfte fortsetzte und bis zur Ärztin-Generalin aufstieg, setzte sie sich dafür ein, dass Frauen nicht länger auf Nebenrollen beschränkt wurden. Ihre Bemühungen trugen Früchte – und öffneten Türen für kommende Generationen.
Mehr als nur eine Militärkarriere
André war nicht nur eine unerschrockene Pilotin und engagierte Ärztin, sondern auch eine unermüdliche Fürsprecherin für die Sache der Frauen. 1981, dem Jahr ihres Abschieds vom aktiven Dienst, wurde sie mit dem Rang einer Generalin der Division ausgezeichnet.
Nach ihrer Pensionierung blieb sie aktiv, leitete Studien über die Rolle von Frauen in den Streitkräften und arbeitete daran, alte Vorurteile zu durchbrechen. Ihr Wirken war von Erfolg gekrönt: Heute gehört die französische Armee zu den weltweit fortschrittlichsten, wenn es um die Integration von Frauen geht.
Ein Vermächtnis, das bleibt
Valérie André hinterlässt eine beeindruckende Bilanz: Über 4.200 Flugstunden, hunderte Rettungsmissionen und sieben Auszeichnungen mit der Croix de Guerre. 2022 wurde das Heliport von Paris-Issy-les-Moulineaux nach ihr benannt – eine späte, aber würdige Ehrung.
Am Ende ihres Lebens äußerte sie nur noch einen Wunsch: „Eines Morgens einfach nicht mehr aufzuwachen und bei den Sternen zu sein.“ Genau dorthin, wo sie immer hingehörte – in die Lüfte, die sie zeitlebens fasziniert hatten.
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