Die französische Filmwelt hat ein weiteres erschütterndes Kapitel erlebt. Christophe Ruggia, einst gefeierter Regisseur, ist nun wegen sexueller Übergriffe auf die Schauspielerin Adèle Haenel schuldig gesprochen worden. Der 60-Jährige wurde zu vier Jahren Haft verurteilt – zwei davon auf Bewährung mit elektronischer Überwachung zu Hause.
Ein Fall, der das #MeToo in Frankreich entfachte
Die Vorwürfe gegen Ruggia wurden erstmals 2019 von Adèle Haenel in Mediapart erhoben und führten zu einer Welle der Empörung in der Filmbranche. Der Fall rückte Frankreichs Umgang mit sexueller Gewalt ins Rampenlicht und befeuerte die #MeToo-Debatte im Land.
Die Übergriffe sollen zwischen 2001 und 2003 stattgefunden haben, als Haenel noch minderjährig war. Damals war sie gerade einmal 12 Jahre alt und spielte in Ruggias Film Les Diables. Nach dem Dreh lud der Regisseur sie regelmäßig zu sich nach Hause ein – unter dem Vorwand, die Promotion des Films vorzubereiten. Fast jeden Samstag, über zwei Jahre hinweg, wurde sie laut ihrer Aussage dort belästigt.
„Seine Hände waren überall“
Im Dezember 2023 schilderte Adèle Haenel bei der Gerichtsverhandlung detailliert, wie sich die Übergriffe abspielten:
„Ich saß auf dem Sofa, er kam näher – immer unter dem Vorwand eines Gesprächs. Dann seine Hände, erst auf meinem Rücken, später unter meinem Shirt, in meiner Hose.“
Anschließend habe er sie nach Hause gefahren. Das Muster war immer dasselbe, ebenso die kleine „Zeremonie“ davor: ein Snack mit weißen Schokoriegeln und Orangina.
Die Verteidigung: „Eine Racheaktion“
Ruggia stritt alles ab. Er gab zwar zu, eine enge Beziehung zu Haenel gehabt zu haben, sprach aber von einer „vermeintlichen Rache“ der Schauspielerin. Er behauptete, sie sei enttäuscht gewesen, weil er sie nicht erneut für eine Filmrolle besetzte. Zudem habe sie ihn für die französische #MeToo-Bewegung instrumentalisiert.
Sein verstörendes Argument? Haenel habe mit 12 Jahren bereits eine „sinnliche Ausstrahlung“ gehabt – ein Satz, der bei vielen im Gerichtssaal für Entsetzen sorgte.
Die Eskalation im Gerichtssaal
Zwei Tage dauerte die Anhörung. Haenel, die sich mittlerweile weitgehend aus dem Filmgeschäft zurückgezogen hat, hörte sich die Rechtfertigungen von Ruggia an – bis ihr schließlich der Kragen platzte.
Als der Regisseur erneut seine Version der Geschichte ausbreitete, sprang sie plötzlich von ihrem Platz auf, schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie laut durch den Saal:
„Aber halt einfach die Klappe!“
Haenel verließ das Gericht unter Applaus.
Ruggia geht in Berufung
Das Urteil – vier Jahre Haft, davon zwei auf Bewährung – fiel am 3. Februar. Der Regisseur wird die Strafe mit einer elektronischen Fußfessel zu Hause verbüßen. Doch seine Anwältin kündigte bereits an: Ruggia wird in Berufung gehen.
Bleibt die Frage: Wird das Urteil Bestand haben oder erlebt Frankreich eine weitere juristische Wende in diesem aufsehenerregenden Fall?
Von C. Hatty
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