Tag & Nacht

Die Tory-Abgeordneten stellten sich hinter die Kandidatur des ehemaligen Finanzministers, der jetzt als erste Person mit Migrationshintergrund in die Downing Street einzieht. Rivalin Penny Mordaunt zog es vor, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Am Sonntag Abend bereits hatte sich der ehemalige Premier Boris Johnson dazu entschieden, kein weiteres Mal zu kandidieren.

Es war ein Szenario, das vor sechs Wochen noch unvorstellbar war. Rishi Sunak, der den Wahlkampf um den Vorsitz der Konservativen Partei gegen Liz Truss verloren hatte, schickte sich an, ihre Nachfolge in der Downing Street anzutreten. Die Tory-Abgeordneten stellten sich jetzt mit grosser Mehrheit hinter die Kandidatur des ehemaligen Finanzministers. Sunak wird der erste Premierminister mit Migrationshintergrund sein.

Zudem ist Rishi_Sunak der reichste Engländer, der jemals zum Premierminister berufen wurde. Gemeinsam mit seiner Frau soll er ein Vermögen von über 730 Millionen Pfund besitzen. Das sind umgerechnet mehr als 860 Millionen Euro. Dem Ehepaar sollen zudem mehrere Immobilien im Wert von rund 15 Millionen Pfund gehören.

Der Abgeordnete aus Yorkshire lag von Beginn an weit vor seiner Rivalin Penny Mordaunt, der Ministerin für die Beziehungen zum Parlament, die es schließlich vorzog, ihre Kandidatur am frühen Montagnachmittag zurückzuziehen. Nach dem Rückzug von Boris Johnson, dessen Traum von einem „churchillschen“ Comeback amk Sonntagabend platzte, galt er als großer Favorit.

Boris Johnson hätte als alter neuer Premierminister sich erneut zum Rücktritt gezwungen sehen können, wenn der parlamentarische Untersuchungsausschuss, der sich zur Zeit noch mit ihm befasst, zu dem Schluss kommen sollte, dass er damals das Parlament im Rahmen des „Partygate“-Skandals belogen hatte. Dies würde wahrlich nicht die Stabilität bringen, nach der sich die Konservative Partei nach den turbulenten letzten Monaten sehnt.

Fünfter Premierminister seit 2016
Der 42-jährige Rishi Sunak ist der dritte britische Premierminister innerhalb von vier Monaten und der fünfte seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016. Er übernimmt das Land nach der kurzen Amtszeit von Liz Truss – nur 44 Tage, ein Rekord in der Geschichte des Vereinigten Königreichs, die von Finanzturbulenzen und zahlreichen Kehrtwendungen in der Steuerpolitik geprägt war.

In den wenigen Tagen des Wahlkampfs nach dem Rücktritt von Liz Truss hatte Rishi Sunak kaum Zeit, seine Vision für das Land darzulegen. Er versprach jedoch, dass er die konservative Partei mit „Integrität, Professionalität und Verantwortung“ führen werde.

In seinen Debatten mit Liz Truss im Sommer hatte er immer wieder deren Steuersenkungsplan kritisiert und vor dem Risiko gewarnt, eine Steuerpolitik zu betreiben, die gegen die Geldpolitik der Bank of England gerichtet ist. Sunak auf die britischen Märkte eine beruhigende Wirkung zu haben. Das Pfund erholte sich bereits leicht, als Boris Johnson seinen Rückzug ankündigte, und die Zinsen für Staatsanleihen fielen.

Der Moment des Optimismus könnte jedoch nur von kurzer Dauer sein. Die Anleger sehen die Aussichten für die britische Wirtschaft eher düster. Die Inflation bewegt sich nun schon seit drei Monaten um die 10% und drückt auf die Stimmung der Verbraucher. Und die Gefahr einer schweren Rezession schwebt über dem Land.

Die erste Entscheidung, die Rishi Sunak treffen muss, ist die, ob er Jeremy Hunt als Finanzminister und Schatzkanzler behalten will oder nicht. Der gemäßigte Konservative, der inmitten des heftigen Sturms auf den Finanzmärkten als Retter in der Not auftauchte, wischte Liz Truss‘ Steuerplan beiseite und konzentrierte sich auf die neue Haushaltsprognose, die am 31. Oktober veröffentlicht werden soll. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob dieser Termin, der für die britischen Finanzmärkte von entscheidender Bedeutung ist, überhaupt eingehalten wird. Die Ernennung eines neuen Premierministers könnte zu einer Verschiebung führen, was die Unsicherheit im Lande weiter verlängern würde.

Der neue Mieter der Downing Street und sein Finanzminister werden die schwere Aufgabe haben, die Glaubwürdigkeit des Vereinigten Königreichs auf den Finanzmärkten wiederherzustellen…


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