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Am Sonntag, dem 2. Februar 2025, landete Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ohne Zwischenfälle in Washington. Dies geschah trotz des internationalen Haftbefehls, den der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) im November 2024 gegen ihn erlassen hatte. Am Montag traf er sich mit Steve Witkoff, dem Nahost-Sondergesandten von US-Präsident Donald Trump, und am Dienstag folgt ein offizielles Treffen mit Trump selbst. Netanjahu droht in den USA keine Verhaftung, da das Land nicht dem Römischen Statut angehört und daher nicht zur Zusammenarbeit mit dem Gericht in Den Haag verpflichtet ist.

Der Haftbefehl des IStGH und seine rechtlichen Grenzen

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) erließ im November 2024 Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und den ehemaligen israelischen Verteidigungsminister Joav Gallant. Ihnen werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, darunter der Vorwurf, Hunger als Kriegsmethode eingesetzt und gezielt Zivilisten verfolgt zu haben. Der Haftbefehl gilt jedoch nur in den 125 Staaten, die das Römische Statut unterzeichnet haben, darunter alle EU-Länder sowie Kanada, Australien und Brasilien. Diese Länder sind verpflichtet, mit dem IStGH zu kooperieren und Haftbefehle auszuführen. Die USA gehören jedoch nicht dazu.

Die ablehnende Haltung der USA gegenüber dem IStGH

Die USA erkennen die Autorität des IStGH nicht an und haben bereits unter früheren Präsidenten Maßnahmen gegen das Gericht ergriffen. Schon während der Amtszeit von George W. Bush lehnten die USA die Zuständigkeit des Gerichts ab und schlossen mit zahlreichen Ländern bilaterale Abkommen, um eine Auslieferung von US-Bürgern an Den Haag zu verhindern.

Die Haltung gegenüber dem IStGH verschärfte sich erneut unter Donald Trump. Bereits 2020 verhängte seine Regierung Sanktionen gegen IStGH-Funktionäre, die US-Soldaten wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in Afghanistan untersuchen wollten. Im Januar 2025 unterzeichnete Trump erneut eine Verfügung, um den Druck auf das Gericht zu erhöhen. Ein Gesetzentwurf zur Verhängung von Strafmaßnahmen gegen den IStGH scheiterte jedoch am Widerstand der Demokraten im Senat.

Internationale Reaktionen und politische Spannungen

Die Entscheidung der USA, sich dem IStGH zu widersetzen, wurde international scharf kritisiert. Das Büro der Versammlung der Vertragsstaaten des Römischen Statuts erklärte am 23. Januar 2025, es „bedauere jede Form von Druck oder Bedrohung gegen den Gerichtshof und seine Mitarbeiter“ und bekräftigte seine „unerschütterliche Unterstützung für die Prinzipien des Völkerrechts“.

Auch innerhalb der EU sorgte Netanjahus Besuch in den USA für Diskussionen. Während einige europäische Staaten, darunter Frankreich und Deutschland, bekräftigten, dass sie den Haftbefehl umsetzen würden, blieben andere, insbesondere osteuropäische Staaten, in ihrer Position vorsichtiger.

Netanjahus eingeschränkte Reisefreiheit

Der Haftbefehl des IStGH schränkt Netanjahus internationale Mobilität erheblich ein. Reisen in Staaten wie Deutschland, Frankreich oder Kanada könnten für ihn riskant werden, da dort eine Verhaftung und Auslieferung an Den Haag drohen würden.

Seine Reise in die USA zeigt jedoch, dass er weiterhin enge Verbündete hat, die ihn gegen internationale Strafverfolgung schützen. Solange Washington die Autorität des IStGH nicht anerkennt, kann Netanjahu dort sicher verkehren und politische Unterstützung für Israels Vorgehen im Nahost-Konflikt suchen.

Der Fall Netanjahu offenbart erneut die geopolitischen Grenzen internationaler Justiz. Während der IStGH sich als Instanz für globale Strafverfolgung etablieren möchte, stoßen seine Entscheidungen oft auf politischen Widerstand. Insbesondere mächtige Staaten wie die USA oder China verweigern sich seiner Autorität und schützen ihre Verbündeten.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob sich der diplomatische Druck auf Netanjahu erhöht oder ob seine Verbündeten ihn weiterhin vor rechtlichen Konsequenzen bewahren können. Sicher ist: Solange die USA den IStGH nicht anerkennen, wird Netanjahu dort keine Verhaftung fürchten müssen.

Autor: P. Tiko


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