Tag & Nacht

Seit Anfang 1989 hat sich der französische Staatschef François Mitterrand (1981-1995) bei seinen Entscheidungen von einer Astrologie beraten lassen. Fünf Jahre lang holte er sich Rat bei dem Star dieser umstrittenen Branche. Mit seinem Einverständnis nahm die Astrologin Elizabeth Teissier ihre Gespräche auf… 

„Es war die vorletzte Phase seines Lebens, der Moment, in dem die Innenpolitik ins Wanken geriet, sein moralischer Ruf angegriffen wurde, seine zweite Familie auftauchte, seine Krankheit fortschritt… Er fühlte sich verletzlicher als je zuvor“, erklärt der Journalist Alain Duhamel auf dem sender France 2. Am 12. Januar 1989 wendet sich der französische Staatspräsident François Mitterrand an Elizabeth Teissier, die Starastrologin der Medien der 1980er Jahre. Und er erlaubte ihr, ihre Gespräche aufzuzeichnen: „Herr Präsident, ich möchte Ihnen sagen, dass es manchmal besser ist, mit bestimmten Menschen zu sprechen als mit anderen. Man muss sich vor seinen Intuitionen, seinen intellektuellen Intuitionen in Acht nehmen. Heute ist ein Tag, an dem ich an Ihrer Stelle keine Entscheidungen treffen würde, weil es Ihnen – entschuldigen Sie, wenn ich das sage – nach den Sternen an Objektivität mangelt“, heißt es auf einem Tonband, das die Astroligin dem Magazin France 2 vorgespielt hat.

„Er hat mich um Rat gefragt, als er mit den Franzosen sprechen musste, als er Bush treffen musste. Er bat mich um Rat bei wichtigen Entscheidungen“, erinnert sich Elizabeth Teissier. „Er interessierte sich für die Psychologie der Menschen und bat mich zum Beispiel, das Astralhoroskop von Jean-Pierre Chevènement zu erstellen, der damals Verteidigungsminister war. Und ich habe dem Präsidenten gesagt, dass ich glaube, dass der nächste Mond am 29. Januar 1991 sehr schlecht für ihn ist. Was für eine Überraschung war das ein paar Tage später…“ Die Medien verkündeten genau an diesem Tag den Rücktritt des Verteidigungsministers. „Haben Sie das mit Chevènement gesehen? Es war verrückt“, sagte sie damals zu François Mitterrand und erinnert den Präsidenten an ihre Vorhersage: „Ich habe Ihnen vom 29. erzählt. Das ist lustig. Wissen Sie, am Ende sind wir immer sehr überrascht, wenn die Vorhersagen wahr werden“.

Der Soziologe Gérald Bronner analysiert: „François Mitterrand war der Präsident der Republik, aber er war vor allem ein Mensch. Und es gibt etwas im Menschen, das danach strebt, Unsicherheiten zu verringern, vor allem wenn man vor wichtigen Entscheidungen steht. Zum Beispiel das Maastricht-Referendum, der Ausbruch des ersten Irak-Krieges 1991…“. Der Staatschef fragte die Astrologin: „Im Verlauf des Krieges befinden wir uns an einem Wendepunkt! Ich werde mich einmischen müssen. Was ist Ihrer Meinung nach der beste Tag? Sonntag, Montag, Dienstag?“ Der Journalist Alain Duhamel ist seinerseits bemüht, den Einfluss dieser sonderbaren Beraterin nicht als zu gross erscheinen zu lassen: „Er hat Elizabeth Teissier nicht gefragt, ob die Sterne ihm raten, am Golfkrieg teilzunehmen oder nicht. Ganz sicher nicht!“

„Es hat nicht viel gekostet, zu wissen, ob man manche Dinge am 11., 12. oder 13. des jeweiligen Monats machen sollte. Das hat ihn wahrscheinlich beruhigt“, sagt Gérald Bronner. „Was sagt der Himmel?“, hört man die Astrologin auf dem Band fragen. „Am Dienstag, dem 5. Dezember, sind die Börsen schwierig. Am Mittwoch, den 6., ich weiß, ist es langweilig für Sie, weil Sie den Ministerrat haben, aber leider gibt es ein kleines Zeichen der Verwirrung in Ihren Sternen. Andererseits haben Sie am Abend des 7. eine sehr, sehr gute Konstellation“. Und tatsächlich, am 7. Februar 1991 wandte sich François Mitterrand im Fernsehen an das Land und verkündete: „Wir treten in die schwierige Phase des (Irak-)Krieges ein. Diese Prüfung, das ist eine grausame Wahrheit, wird stattfinden. Und die Franzosen müssen sich darauf vorbereiten“.

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