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Ein politisches Erdbeben erschüttert Frankreich: Michel Barnier, der erst seit drei Monaten als Premierminister amtierte, muss nach einem spektakulären Misstrauensvotum seinen Hut nehmen. Die Nationalversammlung stimmte am Mittwoch, dem 4. Dezember, für den von der links-oppositionellen Bewegung Nouveau Front Populaire (NFP) eingebrachten Misstrauensantrag – ein Ereignis, das seit 1962 beispiellos ist. Mit 331 Stimmen, deutlich mehr als der benötigten Mehrheit von 288, wurde die Regierung gestürzt und Frankreich in eine weitere Phase der Unsicherheit geführt.

Eine Entscheidung mit historischem Gewicht

Der politische Kontext macht dieses Ereignis so brisant. Letztmals wurde ein französischer Premierminister durch ein Misstrauensvotum abgesetzt, als Georges Pompidou 1962 die Unterstützung des Parlaments verlor. Damals handelte Präsident Charles de Gaulle entschlossen, löste die Nationalversammlung auf und setzte auf Neuwahlen. Heute jedoch sieht die Lage anders aus: Die französische Verfassung verbietet Präsident Emmanuel Macron, das Parlament vor Ablauf eines Jahres nach den letzten Parlamentswahlen aufzulösen. Das politische Spielfeld bleibt daher in Schach – die nächste Bewegung ungewiss.

Warum fiel die Regierung?

Auslöser der Krise war die Anwendung des umstrittenen Artikels 49.3 der Verfassung durch Michel Barnier. Dieser erlaubt es der Regierung, ein Gesetz ohne Abstimmung im Parlament durchzusetzen – in diesem Fall das Haushaltsgesetz für die Sozialversicherung. Diese Maßnahme gilt als Notlösung, provoziert jedoch traditionell scharfen Widerstand. Das Linksbündnis NFP nutzte die Gelegenheit, um einen Misstrauensantrag einzubringen. Zwar reichte auch das rechtspopulistische Rassemblement National (RN) einen eigenen Antrag ein, doch nach der Annahme der NFP-Initiative wurde dieser hinfällig.

Die Präsidentin der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, verkündete nüchtern: „Der Misstrauensantrag ist angenommen.“ Mit diesen Worten endete die Amtszeit von Michel Barnier und der politische Tumult nimmt Fahrt auf.

Politische Blockaden und eine schwierige Zukunft

Wie geht es jetzt weiter? Emmanuel Macron steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Der Sturz von Barnier hinterlässt eine Regierungslücke, die schnell geschlossen werden muss – doch das Klima ist vergiftet. Der Präsident hatte im Vorfeld versucht, die Wogen zu glätten, und appellierte an den „Sinn für Verantwortung“ der Abgeordneten. Doch diese entschieden anders. Barnier selbst sprach von einem „Test für den Zusammenhalt des Landes“, doch seine Appelle verhallten ungehört.

Die politische Landschaft Frankreichs ist so zersplittert wie lange nicht mehr. Mit dem Erfolg des Misstrauensantrag zeigt die Opposition, dass sie fähig ist, gemeinsam Druck auf die Exekutive auszuüben – eine neue Realität, mit der die Präsidentschaft umzugehen hat. Kann Macron in diesem Klima noch regieren? Diese Frage wird sich in den kommenden Wochen klären.

Parallelen zur Vergangenheit – oder doch eine neue Dynamik?

Der Vergleich mit 1962 drängt sich förmlich auf, doch die Unterschiede sind frappierend. Damals konnte de Gaulle mit der Auflösung des Parlaments seine Agenda vorantreiben. Heute hingegen bindet die Verfassung Macron die Hände. Diese Zwickmühle macht die aktuelle Situation umso komplizierter und die politische Bühne ist auf unbestimmte Zeit blockiert.

Wird sich die französische Politik aus diesem Schlamassel herauswinden können? Das bleibt abzuwarten. Sicher ist nur, dass dieses Misstrauensvotum als eines der dramatischsten Kapitel in die Geschichte der Fünften Republik eingehen wird.


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