In der Geschichte des Zweiten Weltkriegs stehen oft die großen Schlachten und spektakulären Landungen im Fokus – wie die von der Normandie am 6. Juni 1944. Doch ein weiteres, oft weniger beachtetes Kapitel dieser Zeit spielte sich nur wenige Wochen später ab, als die Alliierten am 15. August 1944 die Befreiung Südfrankreichs mit der Operation Dragoon einleiteten. Diese Offensive markierte den Beginn einer schnellen und entschlossenen Kampagne, die nicht nur zur Befreiung Frankreichs führte, sondern auch den Kriegsverlauf in Europa maßgeblich beeinflusste.
Die Strategie hinter der Operation Dragoon
Die Idee zur Landung in Südfrankreich war nicht unumstritten. Ursprünglich hatten die Alliierten geplant, eine gleichzeitige Landung sowohl in der Normandie als auch in Südfrankreich durchzuführen. Doch aufgrund von Ressourcenknappheit und unterschiedlichen strategischen Überlegungen musste man sich schließlich auf die Normandie konzentrieren. Die Südoffensive wurde zunächst verschoben und stand unter dem Schatten der gewaltigen Ereignisse, die sich an den Stränden der Normandie abspielten.
Wieso also doch noch eine Landung in Südfrankreich? Die Antwort liegt in der strategischen Bedeutung der Region. Südfrankreich bot den Alliierten mehrere Vorteile: Es ermöglichte die Errichtung eines zweiten Frontabschnitts, entlastete die Truppen in der Normandie und schnitt den deutschen Streitkräften in Frankreich den Rückzug in den Süden ab. Zudem eröffnete es den Alliierten einen direkten Zugang zu wichtigen Mittelmeerhäfen wie Marseille und Toulon – beide für die Versorgung der Truppen und den weiteren Vormarsch nach Norden entscheidend.
Die Landung und der schnelle Durchbruch
Am frühen Morgen des 15. August 1944 begann die Operation Dragoon mit der Landung alliierter Truppen an der Côte d’Azur. Im Gegensatz zur Normandie war der Widerstand der deutschen Truppen in Südfrankreich schwächer, was vor allem an der dünnen Besetzung durch Wehrmachtseinheiten lag. Viele der besten deutschen Divisionen waren bereits in der Normandie gebunden oder im Osten an der Ostfront im Einsatz.
Die Landung verlief überraschend reibungslos. Amerikanische, britische und französische Truppen – unterstützt von einer mächtigen Luftwaffe und Marine – stürmten an den Stränden von Cavalaire-sur-Mer, Saint-Tropez und Le Lavandou an Land. Die deutsche Verteidigung wurde schnell überwältigt, und die alliierten Truppen rückten zügig ins Landesinnere vor.
Schon nach wenigen Tagen fiel Toulon, einer der wichtigsten Häfen Südfrankreichs, in alliierte Hände. Marseille folgte kurz darauf. Beide Städte waren von enormer logistischer Bedeutung für die Alliierten, da sie als Hauptversorgungswege für den weiteren Vorstoß Richtung Norden und ins Herz Europas dienten.
Der Mythos und die Realität der Résistance
Ein zentraler Aspekt der Befreiung Südfrankreichs war die Rolle der französischen Résistance. Diese Widerstandsbewegung, die in den Jahren der deutschen Besatzung heimlich operierte, spielte eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung der alliierten Truppen. Sie sammelte Informationen, sabotierte deutsche Nachschublinien und half, wichtige strategische Ziele zu sichern. Die Zusammenarbeit zwischen den Alliierten und der Résistance war ein Schlüssel zum schnellen Erfolg der Operation Dragoon.
Doch die Realität der Résistance war komplexer, als es oft dargestellt wird. Nicht alle Teile der Résistance waren gut organisiert oder effektiv, und in vielen Regionen Südfrankreichs war der Widerstand zersplittert. Dennoch trugen die Aktionen der Widerstandskämpfer maßgeblich dazu bei, die deutschen Truppen zu zermürben und die alliierte Offensive zu unterstützen. Der Mythos der Résistance – die Vorstellung von mutigen Männern und Frauen, die sich der Besatzungsmacht widersetzten – wurde in diesen Tagen lebendig und prägte das Bild des Befreiungskriegs in Frankreich nachhaltig.
Die Folgen der Befreiung: Der Weg nach Deutschland
Nach der erfolgreichen Landung in Südfrankreich rückten die Alliierten zügig vor. Die deutschen Truppen, bereits durch die Kämpfe in der Normandie geschwächt, zogen sich hastig Richtung Norden zurück. Der Vormarsch der Alliierten war so schnell, dass Paris bereits Ende August – nur zwei Wochen nach der Landung in der Normandie – befreit wurde.
Doch die Befreiung Südfrankreichs war mehr als nur ein militärischer Erfolg. Sie symbolisierte den Beginn des Endes der deutschen Besatzung in Westeuropa. Die Operation Dragoon ermöglichte es den Alliierten, die deutsche Verteidigung zu zerschlagen, die Brücke über den Rhein zu überschreiten und schließlich den Weg nach Deutschland selbst freizumachen. Ohne diese zweite Front wäre der Vormarsch der Alliierten weitaus schwieriger und langwieriger gewesen.
Ein oft übersehenes Kapitel der Geschichte
Warum also ist die Operation Dragoon weniger bekannt als die Landung in der Normandie? Ein Grund mag sein, dass die Normandie als symbolisches Zentrum des D-Day im öffentlichen Bewusstsein verankert ist. Die dramatischen Bilder der Landungen und die hohen Verluste in der Normandie haben sich tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben.
Doch die Bedeutung der Befreiung Südfrankreichs darf nicht unterschätzt werden. Sie war ein entscheidender Beitrag zum Zusammenbruch des Dritten Reichs und ein Schlüsselereignis im Kriegsverlauf. Vielleicht ist es gerade die Leichtigkeit des Sieges, die dafür sorgt, dass die Operation Dragoon oft im Schatten der dramatischeren Ereignisse steht.
Aber das ist doch seltsam, oder? Oft vergessen wir die entscheidenden Momente, die im Schatten der großen Schlagzeilen liegen – obwohl sie genauso wichtig sind. Vielleicht sollten wir uns daran erinnern, dass der Sieg in Südfrankreich einen entscheidenden Beitrag zur endgültigen Befreiung Europas leistete. Denn ohne die Operation Dragoon wäre der Weg nach Berlin wahrscheinlich deutlich länger und blutiger gewesen.
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