Emmanuel Macron steckt in der tiefsten Krise seiner politischen Karriere. Die desaströse Auflösung der Nationalversammlung hat nicht nur seine Autorität untergraben, sondern ihn auch in eine missliche Lage manövriert: ein Präsident, der zwar noch regiert, aber kaum mehr Einfluss auf die Richtung der Politik zu haben scheint. Um dieser Ohnmacht zu entkommen, verlässt er zunehmend seinen Palast und begibt sich unter die Menschen. Doch ob seine Inszenierung als nächster Kämpfer für die Anliegen der Bürger verfängt, bleibt fraglich.
Ein Staatschef auf Reisen
Jüngst war Macron in den Hauts-de-France unterwegs, um sich dem wirtschaftlichen Wiederaufbau der Region zu widmen. Ein Projekt, das er selbst vor sechs Jahren ins Leben rief. Wenige Tage zuvor hatte er den Louvre besucht, um dort feierlich die Renovierung des weltberühmten Museums unter dem Motto „Neue Renaissance“ anzukündigen. Symbolisch hätte sein Signal kaum deutlicher sein können: Ein Neuanfang, eine Erneuerung, vielleicht gar ein Comeback? Doch die Lage ist ernster, als es solche Gesten suggerieren können.
Seit dem eklatanten politischen Scheitern der vorgezogenen Neuwahlen schwindet Macrons Handlungsfähigkeit rapide. Während er weiterhin auf dem internationalen Parkett als einer der prägendsten europäischen Staatschefs wahrgenommen wird, verliert er in der Innenpolitik zunehmend an Gestaltungsmacht. Der Alltag der nationalen Politik wird dominiert von Premierminister François Bayrou, der sich mit einem tief gespaltenen Parlament auseinandersetzen muss. Macron hingegen bleibt oftmals nur die Rolle des Zaungasts, der zuschaut, wie sein Premier Allianzen schmiedet, Kompromisse aushandelt und dabei oft ins Straucheln gerät.
Macron als doppeltes Gesicht der Nation?
Im Elysée-Palast versucht man, Macrons Zurückhaltung als strategisches Kalkül zu verkaufen. „Die Regierung regiert, der Präsident präsidiert“, lautet das offizielle Narrativ. Doch in der Realität sieht es anders aus. Macron versucht sich als doppeltes Gesicht der Nation zu inszenieren: einerseits als präsidiale Integrationsfigur, andererseits als Sprachrohr der einfachen Bürger. Sein neuer Stil, sich direkt in wirtschaftliche und soziale Debatten einzumischen, lässt ihn beinahe wie einen Oppositionsführer im eigenen Lager wirken. Er stellt sich an die Seite von Sportverbänden, die um ihre Budgets kämpfen, er zeigt Verständnis für Unternehmen, die unter der Steuerlast leiden, und plädiert für eine Digitalisierung des Mautsystems, um den Alltag der Autofahrer zu erleichtern.
Doch während Macron sich als Kämpfer für die Bürger geriert, wird ihm zunehmend vorgehalten, dass viele dieser Probleme erst unter seiner Regierung entstanden sind. Seine Rolle als mäßigender Vermittler wirkt in einer Situation, in der er selbst als treibende Kraft hinter vielen umstrittenen Reformen steht, aufgesetzt. Zudem riskiert er mit diesem Spagat, dass er als präsidiale Figur immer weiter an Glaubwürdigkeit verliert.
Die Popularität im Sturzflug
Dass seine neue Strategie bisher kaum Wirkung zeigt, lässt sich an den Umfragewerten ablesen. Nur noch 21 Prozent der Franzosen sind mit seiner Arbeit zufrieden. Dies ist der niedrigste Stand seit Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahr 2017. Besonders alarmierend für den Präsidenten: Seine Rückfälle in den Umfragen betreffen nicht nur jüngere Generationen, die sich bereits länger von ihm abgewendet haben, sondern nun auch Rentner und ehemals loyale Wählergruppen. Eine Entwicklung, die nicht nur seinen politischen Spielraum einengt, sondern auch seine langfristige Positionierung in der französischen Politik gefährdet.
Gleichzeitig befindet sich die politische Landschaft Frankreichs in Aufruhr. Das Vertrauen in politische Institutionen ist auf einem historischen Tiefstand. Die versuchte Auflösung des Parlaments hat zu einem Klima der Unsicherheit beigetragen, in dem niemand genau weiß, ob und wie die Regierung überhaupt noch handlungsfähig ist. Premierminister Bayrou kämpft an allen Fronten: Während er versucht, mit den Oppositionen Vereinbarungen zu treffen, muss er sich gleichzeitig gegen interne Querelen zur Wehr setzen. Besonders eine kürzliche, als fremdenfeindlich wahrgenommene Äußerung hat dazu geführt, dass wichtige politische Akteure, darunter die Sozialisten, ihr Vertrauen in seine Fähigkeit zur Konsensbildung infrage stellen.
Macrons schmale Wege zur Rückkehr
In diesem politischen Chaos sucht Macron nach einer Rolle, die ihm noch Einfluss verschaffen könnte. Seine aktuellen Reisen und Initiativen können als Versuch gewertet werden, seine Popularität zu steigern und das verloren gegangene Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Doch es bleibt fraglich, ob dieser Ansatz Erfolg haben wird. Die Unzufriedenheit der Menschen ist tief verwurzelt, und seine Kritiker werfen ihm vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen, während seine Regierung mit den Folgen seiner eigenen politischen Entscheidungen kämpft.
Die kommenden Monate werden für Macron entscheidend sein. Kann er eine tragfähige Strategie entwickeln, um nicht nur präsent, sondern auch politisch relevant zu bleiben? Oder werden seine Versuche, Einfluss zurückzugewinnen, letztlich nur als eine lange Abschiedstournee in Erinnerung bleiben?
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