Tag & Nacht




Der 10. Juni ist kein gewöhnlicher Tag. In den Tiefen der Geschichte finden sich an diesem Datum Ereignisse, die die Welt in Erstaunen versetzten, erschütterten oder tiefgreifend veränderten. Mal laut, mal leise – aber nie bedeutungslos. Und Frankreich? Mittendrin.


Als Italien den Krieg erklärte

  1. Juni 1940: Benito Mussolini entscheidet, Italien an der Seite des nationalsozialistischen Deutschlands in den Zweiten Weltkrieg zu führen. Eine Kriegserklärung an Frankreich und Großbritannien. In Rom jubeln Tausende auf der Piazza Venezia – während in Europa Hunderttausende an der Front zittern. Ein klares Kalkül: Mussolini will am zu erwartenden Sieg Deutschlands teilhaben. Doch was folgt, ist kein Triumphzug, sondern das langsame Abrutschen Italiens ins Chaos.

Ein Dorf verschwindet

Zwei Jahre später, 1942, wird ein tschechisches Dorf namens Lidice von der Landkarte getilgt. Als Racheakt für das Attentat auf Reinhard Heydrich stürmen SS-Einheiten den Ort, erschießen Männer, verschleppen Frauen und Kinder, sprengen Gebäude. Der Name „Lidice“ geht um die Welt – als Symbol für willkürlichen Terror und unfassbare Grausamkeit.

Doch damit nicht genug.


Frankreichs offenes Wundmal: Oradour-sur-Glane

  1. Juni 1944. Nur wenige Tage nach dem D-Day betreten Soldaten der Waffen-SS das beschauliche Oradour-sur-Glane im Limousin. Was dann passiert, lässt einem den Atem stocken: Männer werden in Scheunen erschossen, Frauen und Kinder in der Kirche bei lebendigem Leib verbrannt. Am Ende sind 642 Menschen tot – fast das gesamte Dorf. Und heute?

Oradour wurde nie wieder aufgebaut. Die Ruinen stehen noch, fast wie eingefroren im Moment des Grauens – eine Mahnung aus Stein. Frankreich entschied sich, das zerstörte Dorf zu erhalten, nicht als morbides Relikt, sondern als stilles Zeugnis gegen das Vergessen.


Die Französische Revolution greift durch

Gehen wir weiter zurück: 1794, mitten im blutigen Höhepunkt der Revolution. Mit dem Gesetz vom 22. Prairial, datiert auf den 10. Juni, nimmt die Schreckensherrschaft neue Fahrt auf. Das Gesetz schränkt die Verteidigungsrechte vor dem Revolutionstribunal massiv ein. Folge: Schnellverfahren, kaum Beweise, oft sofort das Todesurteil. Die Guillotine wird zur Tagesordnung. Wer widerspricht, lebt gefährlich – oder bald gar nicht mehr.


Ein Naturkundemuseum für die Republik

1793 hingegen, ein Jahr zuvor: In Paris wird das „Muséum national d’histoire naturelle“ offiziell gegründet. Schon zuvor als botanischer Garten bekannt, wird es nun zur Institution der Aufklärung. Forschung, Zoologie, Evolution – all das erhält ein Zuhause inmitten politischer Turbulenzen. Heute gehört es zu den bedeutendsten Museen Europas. Kinder staunen dort über Dinosaurier, Wissenschaftler katalogisieren Arten, die kurz vorm Aussterben stehen.


Eine Frau schreibt Geschichte

  1. Juni 1979. Europa schreibt ein neues Kapitel. Simone Veil, Überlebende von Auschwitz, Juristin und Gesundheitsministerin, wird zur Präsidentin des neu gewählten Europäischen Parlaments gewählt. Eine Frau an der Spitze – damals ein starkes Signal. Sie kämpft für Gleichstellung, Menschenrechte und europäische Einheit. Ihre Stimme, leise, aber bestimmt, klingt bis heute nach in den Plenarsälen Europas.

Und sonst?

In den USA wird am 10. Juni 1935 die Selbsthilfegruppe „Alcoholics Anonymous“ gegründet – ein Meilenstein für Menschen, die ihren Weg aus der Sucht suchen. Und schon 1752 steigt Benjamin Franklin bei Gewitter mit einem Drachen auf – um zu beweisen, dass Blitze elektrische Entladungen sind. Verrückt? Ja. Bahnbrechend? Auch.

Kurioser Nebenschauplatz: 1692 wird in Salem die erste vermeintliche Hexe gehängt. Der Beginn einer Hexenjagd, die heute noch Stoff für Filme, Bücher und Debatten liefert. Was ist eigentlich gefährlicher – Aberglaube oder Angst?


Was bleibt?

Der 10. Juni zeigt: Geschichte ist nicht linear, nicht sauber geordnet, nicht gerecht. Sie ist widersprüchlich, oft grausam – und manchmal hoffnungsvoll. Zwischen blutiger Repression und wissenschaftlichem Fortschritt, zwischen Massenmord und politischer Emanzipation pendelt dieser Tag wie ein unruhiges Metronom.

Heute erinnern Mahnmale, Museen und Parlamente an die Schatten und Lichtblicke dieses Datums. Ob in den Ruinen von Oradour, den Sälen des Europäischen Parlaments oder den naturwissenschaftlichen Sammlungen in Paris – der 10. Juni lebt weiter.

Die Frage ist nur: Was machen wir draus?

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