Tag & Nacht




Was haben ein revolutionärer Aufstand in Südamerika, ein ehrgeiziges Raumfahrtziel und ein Mordfall in den USA gemeinsam? Ganz einfach: Sie alle sind mit dem Datum 25. Mai verbunden. Ein Tag, der in den Geschichtsbüchern nicht untergeht – und heute noch seine Schatten wirft.

Der Reihe nach.

Im Jahr 1810, genauer gesagt am 25. Mai, brach in Buenos Aires ein Funke los, der ganz Südamerika verändern sollte. Die spanische Kolonialmacht geriet ins Wanken. Bürger der Stadt setzten den Vizekönig ab und übernahmen selbst die Kontrolle – offiziell zwar noch im Namen des spanischen Königs, aber jeder wusste: Das war der Anfang vom Ende der Kolonialherrschaft. Die sogenannte „Mai-Revolution“ war geboren. Und auch wenn die formelle Unabhängigkeit Argentiniens erst Jahre später kam, gilt der 25. Mai bis heute als Gründungsdatum des Landes. In Argentinien ist er ein gesetzlicher Feiertag – mit Militärparaden, Empanadas und viel Stolz auf die eigene Geschichte.

Weiter nach Europa.

Frankreich, 1871. Die Pariser Kommune war gefallen – blutig, brutal und endgültig. Am 25. Mai ging das Hôtel de Ville, das Rathaus von Paris, in Flammen auf. Es war der symbolische Untergang einer der ersten sozialistischen Regierungen der Welt. Die Kommune hatte sich nur zwei Monate gehalten, doch sie war ein Fanal. Für Arbeiterrechte. Für eine neue Gesellschaft. Für eine gerechtere Welt – zumindest in der Theorie. Die Rache der Regierung war grausam: Tausende wurden erschossen oder verschleppt. Und doch blieb der Gedanke lebendig. Noch Jahrzehnte später beriefen sich linke Bewegungen weltweit auf die Kommune. Selbst in den Parolen von 1968 hallte ihr Geist nach.

Springen wir in die Mitte des 20. Jahrhunderts.

1961 – die Welt steckt mitten im Kalten Krieg, Angst und Technik bestimmen den Alltag. Und dann tritt ein junger US-Präsident vor den Kongress. John F. Kennedy, charismatisch, visionär, entschlossen. Er sagt einen Satz, der Geschichte schreiben sollte: Die Vereinigten Staaten sollen noch vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond schicken – und sicher zurückholen. Ein irrer Plan, wenn man bedenkt, dass die USA zu dem Zeitpunkt kaum ein funktionierendes Raumfahrtsystem hatten. Aber es klappte. Acht Jahre später stand Neil Armstrong auf dem Mond. Ohne Kennedy und seine Rede am 25. Mai wäre das kaum denkbar gewesen. Raumfahrt wurde zum Symbol für Fortschritt und Macht – bis heute.

Und dann war da noch ein anderes Ereignis, gar nicht so lange her, das den 25. Mai für viele Menschen mit Schmerz und Wut verbindet.

2020 – Minneapolis. Ein schwarzer Mann, George Floyd, liegt unter dem Knie eines weißen Polizisten und fleht um sein Leben. Acht Minuten und 46 Sekunden – so lange dauert es, bis er stirbt. Die Szene geht um die Welt. Millionen sehen das Video, sind entsetzt, empört, aufgewühlt. Auf einmal gibt es Proteste in jeder größeren Stadt der USA. Und auch in London, Berlin, Paris, Kapstadt, Sydney – die Bewegung „Black Lives Matter“ wird global. Der 25. Mai wurde zu einem Wendepunkt. Nicht, weil es vorher keinen Rassismus gab. Sondern weil die Welt auf einmal hinsah – und nicht mehr wegschaute. Ob sich seitdem wirklich etwas geändert hat? Eine rhetorische Frage, die man sich immer wieder stellen muss.

Aber auch Frankreich selbst hat an diesem Tag eine eigene, eher stille Episode erlebt.

Am 25. Mai 1946 wurde in Jordanien – damals noch Transjordanien – der Weg in die staatliche Unabhängigkeit formalisiert. Warum das für Frankreich wichtig ist? Weil es ein weiteres Kapitel im langen Rückzug der europäischen Kolonialmächte markierte. Die Ära des französischen Mandats im Nahen Osten näherte sich dem Ende. Auch Syrien und Libanon standen in den Startlöchern zur Eigenständigkeit. Frankreichs Rolle in der Welt hatte sich verändert – das koloniale Selbstverständnis zerbröselte, nicht zuletzt unter dem Druck globaler Befreiungsbewegungen. Das wirkte weit in die Fünfte Republik hinein, bis heute.

Ein weiteres Kapitel ist eng mit dem deutschen Datenschutz verbunden.

Am 25. Mai 1987 führte die Bundesrepublik Deutschland eine Volkszählung durch. Was eigentlich Routine sein sollte, löste massive Proteste aus. Bürgerrechtsgruppen liefen Sturm, es gab Verfassungsklagen, Diskussionen auf allen Kanälen. Die Sorge: der „gläserne Bürger“. Der Staat könne mit den Daten Profile erstellen, das Vertrauen war weg. Die Debatte war heftig – aber auch heilsam. Denn sie war der Nährboden für das moderne Datenschutzrecht in Deutschland. Heute, im Zeitalter von Big Data und KI, wirkt sie fast prophetisch.

Was lernen wir daraus?

Der 25. Mai war selten ein Tag der Ruhe. Eher ein Datum, an dem Entscheidungen gefällt wurden, die Menschen aufrüttelten – und manchmal auch mitrissen. Ob in Paris, Buenos Aires, Amman oder Minneapolis: Die Ereignisse dieses Tages wirken bis in die Gegenwart hinein. Manchmal sichtbar, manchmal leise, aber immer mit Bedeutung. Geschichte, so zeigt dieser Tag, ist nie abgeschlossen. Sie pulsiert weiter – und klopft oft dann an, wenn wir es nicht erwarten.

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