Tag & Nacht




Kaum rückt der 1. Mai näher, brodelt es in den Backstuben Frankreichs. Nicht etwa wegen eines neuen Croissant-Rezepts – sondern wegen eines altbekannten Problems: Dürfen Bäcker an diesem Tag ihre Angestellten beschäftigen?

Der Tag der Arbeit ist in Frankreich gesetzlich besonders geschützt: Ein bezahlter, arbeitsfreier Feiertag für alle. Doch genau das stellt die Bäckereien jedes Jahr erneut vor eine Herausforderung. Denn die Nachfrage nach Brot kennt keine Pause – auch nicht am 1. Mai.


Strenge Regeln, hohe Strafen

Die Rechtslage ist eindeutig: Der 1. Mai ist für alle Beschäftigten arbeitsfrei – ohne Wenn und Aber. Ausnahmen? Ja, aber nur für sogenannte „unumgängliche Dienste“ wie Krankenhäuser, Polizei oder Verkehrsbetriebe. Wer dennoch seine Angestellten arbeiten lässt, riskiert saftige Strafen – bis zu 1.500 Euro pro Arbeitnehmer.

Und das ist keine leere Drohung: Im vergangenen Jahr traf es mehrere Bäckereien, die trotz Verbot geöffnet hatten. Die Confédération nationale de la boulangerie française (CNBF) riet daraufhin zur Vorsicht – und sogar dazu, am 1. Mai ganz auf Mitarbeitereinsatz zu verzichten. Die Folge: In vielen Gemeinden gab es kein frisches Baguette.


Ein Grundnahrungsmittel ohne Ausnahme?

Bäcker argumentieren: Sie bieten eine grundlegende Versorgungsleistung. Brot gehört schließlich zum täglichen Leben der Franzosen wie der Kaffee am Morgen. Einige Betriebe beliefern zusätzlich Krankenhäuser und Pflegeheime – für diese bedeutet eine Schließung der Bäckereien schmerzliche Versorgungsengpässe.

Müsste man das nicht als „unumgängliche Tätigkeit“ einstufen?

Die Antwort ist bisher diffus. Es gibt eine alte ministerielle Anordnung von 1986, die in bestimmten Fällen Ausnahmen zulässt – doch ob diese heute noch rechtlich Bestand hat, bleibt offen. Solange das nicht geklärt ist, befinden sich die Bäcker in einer rechtlichen Grauzone.


Politischer Druck nimmt zu

Im April 2025 brachte der Abgeordnete Jérôme Nury das Thema erneut ins Parlament. In einer Anfrage an die Arbeitsministerin forderte er eine eindeutige Regelung, die den besonderen Bedürfnissen der Branche gerecht wird – und den Betrieben die rechtliche Sicherheit gibt, die sie brauchen.

Denn was derzeit herrscht, ist Unsicherheit pur: Wer am 1. Mai geöffnet hat, darf zwar selbst arbeiten – aber keine Angestellten beschäftigen. Es sei denn, man kann lückenlos belegen, dass man als „systemrelevant“ gilt. Und das bedeutet Papierkram – Verträge, Bestellungen, Belege.

Wer hat da als kleiner Handwerksbetrieb überhaupt noch den Nerv, mitzumachen?


Zwei Welten prallen aufeinander

Auf der einen Seite stehen gesetzliche Feiertagsregelungen, auf der anderen die Realität eines Berufsstands, der tagtäglich vor den ersten Sonnenstrahlen aufsteht, um das Land mit frischem Brot zu versorgen. Dass hier keine einfache Lösung möglich ist, versteht sich fast von selbst. Aber ist es wirklich verhältnismäßig, Bäckereien in diese rechtliche Unsicherheit zu stürzen?

Zumal sich die Frage stellt: Wenn Züge fahren, Krankenhäuser arbeiten und Zeitungen gedruckt werden dürfen – warum nicht auch Brot gebacken?


Ein Kompromiss liegt in der Luft

Klar ist: Die Regierung muss handeln. Eine moderne Arbeitswelt braucht Regeln, die die Realität abbilden – und nicht gegen sie arbeiten. Eine gezielte Ausnahmegenehmigung für Betriebe mit nachweislich essenziellen Lieferverpflichtungen könnte der richtige Weg sein. So würden die Rechte der Beschäftigten gewahrt – und die Bevölkerung müsste am 1. Mai nicht auf ihr Baguette verzichten.

Bis dahin heißt es für viele Bäcker: Selbst anpacken oder ganz dichtmachen. Und das in einem Beruf, in dem sowieso schon jeder Tag ein Kraftakt ist.

Catherine H.

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