Trotz globaler Unsicherheiten, geopolitischer Spannungen und anhaltender Inflation zeigt sich der französische Arbeitsmarkt im Jahr 2024 erstaunlich widerstandsfähig. Doch was auf den ersten Blick nach Stabilität aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein fragiles Gleichgewicht mit deutlichen Schwächen in bestimmten Branchen und Regionen.
Beschäftigung auf wackeligem Grund
Im dritten Quartal 2024 blieb die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Frankreich nahezu stabil – mit einem leichten Rückgang von 0,1 Prozent, also rund 25.000 wegfallenden Stellen. Schon im Quartal zuvor war ein ähnlicher Rückgang zu verzeichnen gewesen. Diese Stagnation kommt trotz eines leichten Wirtschaftswachstums von 0,4 Prozent, das vor allem durch die Olympischen und Paralympischen Spiele gestützt wurde.
Und wie sieht es mit der Arbeitslosenquote aus? Die ist ebenfalls leicht gestiegen – um 0,1 Prozentpunkte auf 7,4 Prozent. Über das gesamte Jahr betrachtet bleibt sie damit allerdings auf demselben Niveau.
Ein spannender Indikator für die Dynamik am Arbeitsmarkt ist die Zeitarbeit. Zwischen Januar und März 2024 sank sie um 0,5 Prozent – nicht dramatisch, aber doch spürbar. Im Quartal davor lag der Rückgang noch bei 2,3 Prozent. Die Unternehmen zeigen also Zurückhaltung – kein Wunder bei der wirtschaftlichen Großwetterlage.
Gewinner und Verlierer – ein gespaltenes Bild
Der Arbeitsmarkt ist derzeit alles andere als einheitlich. Besonders die Baubranche leidet. Seit mittlerweile neun Quartalen in Folge nimmt die Zahl der Neueinstellungen ab – allein in den letzten Monaten gingen dort rund 10.000 Jobs verloren. Auch die Industrie schwächelt: Schon im zweiten Quartal 2024 war dort ein Rückgang der Beschäftigung spürbar – mit einem Schwerpunkt in klassischen Industriezweigen wie Maschinenbau und Chemie.
Doch es gibt auch erfreuliche Nachrichten. So bleibt die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung stabil. Im Jahr 2024 wurden rund 206.774 Personen mit Handicap wieder in den Arbeitsmarkt integriert – fast genauso viele wie im Vorjahr. Ein Lichtblick in einem sonst eher düsteren Panorama.
Blick nach vorn – was bringt 2025?
Die Prognosen für das laufende Jahr sind verhalten optimistisch – mit einem dicken Aber. Die Europäische Kommission rechnet für Frankreich mit einem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent im Jahr 2025. Das ist solide, aber keineswegs beeindruckend.
Zugleich stehen einige Schlüsselbranchen vor ernsthaften Herausforderungen. Die Autoindustrie, die Chemie und die Metallverarbeitung sehen sich wachsender Konkurrenz aus dem Ausland und gleichzeitig dem Druck der ökologischen Transformation ausgesetzt. Zwei Entwicklungen, die wie ein Schraubstock wirken.
Und das bleibt nicht ohne Folgen: Große Unternehmen wie Auchan und Michelin kündigten größere Stellenstreichungen an – mit geplanten 2.389 beziehungsweise 1.254 Kündigungen. Da schrillen bei der Politik die Alarmglocken. Es braucht nun gezielte Maßnahmen, um gegenzusteuern – durchdacht, flexibel und mutig.
Zeit für ein neues Denken
Die französische Regierung steht vor der Herausforderung, den Arbeitsmarkt nicht nur kurzfristig zu stabilisieren, sondern auch langfristig fit zu machen für den Wandel. Wie das gelingen kann? Ganz sicher nicht durch bloßes Zuschauen.
Gefragt sind neue Ansätze – etwa bei der Qualifikation von Arbeitskräften, der Förderung von Innovation oder bei gezielter Unterstützung von Zukunftsbranchen. Und vielleicht auch mal ein bisschen mehr Mut, Dinge auszuprobieren, die abseits vom Gewohnten liegen.
Denn eines ist klar: Ein robuster Arbeitsmarkt entsteht nicht allein durch Statistik – sondern durch Entscheidungen, die den Menschen wieder stärker ins Zentrum rücken. Wer morgen bestehen will, muss heute investieren – in Köpfe, Ideen und Perspektiven.
Oder wie es ein alter französischer Spruch sagt: „C’est dans les vieilles marmites qu’on fait les meilleures soupes“ – man kocht die beste Suppe in alten Töpfen. Doch manchmal hilft es auch, einfach einen neuen Topf auf den Herd zu stellen.
Von C. Hatty
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