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Wenn es um schulischen Erfolg geht, scheint der Geburtsmonat eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen. Laut einer aktuellen Studie des französischen Statistikamts Insee haben Kinder, die zu Beginn des Jahres geboren wurden, bessere Chancen in der Schule als ihre Altersgenossen, die am Jahresende geboren sind. Unterschiede in den schulischen Leistungen sind sogar noch im Alter von 15 Jahren spürbar.

Älter = Besser?

Stell dir vor, du bist in einer Klasse, und du bist fast ein Jahr älter als einige deiner Mitschüler. Diese zusätzliche Reife könnte dir in der Schule einen Vorteil verschaffen. Das Insee hat die Ergebnisse von PISA-Tests – einer international anerkannten Untersuchung der schulischen Fähigkeiten 15-jähriger Schüler in der OECD – aus 15 Ländern ausgewertet. Das Fazit: Kinder, die älter in die Schule kommen, schneiden in Fächern wie Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen besser ab.

Im Durchschnitt sinken die schulischen Leistungen in diesen Bereichen um etwa 20 Punkte, wenn ein Kind ein Jahr jünger ist als seine Klassenkameraden bei Schulbeginn. In Frankreich zeigt sich dieser Unterschied in der weiterführenden Schule besonders deutlich: Jüngere Kinder liegen in Mathematik 14 Punkte, in den Naturwissenschaften 17 Punkte und im Lesen 18 Punkte zurück. Klingt nach einem kleinen Unterschied? Wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche PISA-Score in Mathematik 2022 in Frankreich bei 474 Punkten lag, sind diese Abweichungen alles andere als unerheblich.

Ein internationales Phänomen?

Die Studie zeigt, dass dieser Effekt in verschiedenen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt ist. In Italien zum Beispiel bringt das Ältersein beim Schulstart einen Vorteil von 29 Punkten in Mathematik, während dieser Unterschied in Estland und Finnland nur 10 Punkte und in den Niederlanden 9 Punkte beträgt. Aber was bedeutet das konkret für die betroffenen Schüler?

Das Risiko des Wiederholens und des Mobbings

Jüngere Schüler sind nicht nur in Gefahr, in der Schule schlechter abzuschneiden – sie laufen auch eher Gefahr, ein Schuljahr wiederholen zu müssen oder Mobbing ausgesetzt zu sein. Laut der Insee-Studie haben jüngere Kinder oft schwächere soziale und emotionale Kompetenzen und weniger Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten. Das schlägt sich darin nieder, dass sie weniger oft daran denken, ein Studium anzustreben.

In Frankreich beginnt die Schulpflicht im Alter von 6 Jahren, und der Unterschied zwischen einem Kind, das im Januar geboren wurde, und einem, das im Dezember auf die Welt kam, beträgt stolze 16% in Bezug auf das Alter. Das mag auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, kann aber langfristig erhebliche Auswirkungen haben.

Kleine Unterschiede, große Wirkung

Warum verschwinden diese Unterschiede nicht mit der Zeit? Das Insee vermutet sogenannte „kumulative Effekte“. Ein Kind, das jünger ist, wird möglicherweise zu Beginn seiner Schulzeit schlechtere Ergebnisse erzielen und daher als „schwächer“ eingestuft. Dieses Label kann sich negativ auf das Selbstwertgefühl und die Motivation des Kindes auswirken – ein Teufelskreis beginnt.

Die Tatsache, dass das Alter beim Schuleintritt so starken Einfluss auf den späteren schulischen Erfolg hat, stellt das derzeitige Bildungssystem infrage. Ist es wirklich in der Lage, mit der Vielfalt der Schüler umzugehen? Oder fällt ein Teil der Schüler bereits frühzeitig durch das Raster, weil sie einfach ein paar Monate zu spät geboren wurden?

Soziale Herkunft bleibt ein ein entscheidende Faktor

Allerdings sollten wir eines nicht vergessen: Trotz des nachweislichen Einflusses des Geburtsmonats bleiben die sozialen Unterschiede in den Leistungen viel größer. In der gesamten OECD schnitten die sozial benachteiligtesten 25% der Schüler im Durchschnitt 92 Punkte schlechter in Mathematik ab als die privilegiertesten 25%. Dieser Unterschied ist also viel gravierender als die Auswirkungen des Geburtsmonats.

Was lernen wir daraus? Das Alter beim Schuleintritt spielt eine Rolle – aber die soziale Herkunft hat den viel größeren Einfluss. Dennoch bleibt die Frage: Sollte das Bildungssystem nicht besser darauf vorbereitet sein, Altersunterschiede der Kinder auszugleichen?


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