Tag & Nacht




Ein Drama, das sich Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat wiederholt – diesmal besonders intensiv. Innerhalb nur eines Tages, zwischen dem 12. und 13. Juni 2025, retteten französische Rettungseinheiten insgesamt 99 Menschen, die versuchten, in überfüllten Booten über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu gelangen. Eine Zahl, die nicht nur alarmiert, sondern auch das Ausmaß der humanitären Krise offenbart.

Stürmisches Wetter, verzweifelte Menschen

Die Bedingungen auf See waren alles andere als günstig: heftige Gewitter, starker Wellengang, kaum Sicht. Trotzdem wagten Dutzende die riskante Überfahrt. Eine Gruppe von 63 Migranten wurde vor Dunkerque gerettet, nachdem ihr Boot in Seenot geraten war. Weitere 16 Personen, die zunächst keine Hilfe annehmen wollten – trotz eines erschreckend instabilen Schlauchboots – wurden schließlich doch von einem Rettungsschiff aufgenommen. Sie hatten Glück. Viele andere vorher nicht.

Und die Dramen hörten damit nicht auf. Freitagabend wurden neun weitere Personen aus einem sinkenden Boot gerettet. Schon am Donnerstag hatte man ein motorloses Boot entdeckt, das mit drei Menschen an Bord abgetrieben war. Auch sie kamen mit dem Schrecken davon.

Ein neuer trauriger Rekord

Allein am 13. Juni erreichten laut britischen Behörden 919 Migranten die englische Küste – verteilt auf 14 Boote. Es ist der höchste Tageswert des Jahres. Seit Jahresbeginn sollen mehr als 14.800 Menschen über die gefährliche Meerenge Großbritannien erreicht haben. Man fragt sich: Wie viele dieser Boote schafft die Überfahrt unentdeckt?

Die Strecke ist kurz, aber tödlich. Mindestens 15 Todesopfer zählt man seit Januar 2025. Im vergangenen Jahr starben sogar insgesamt 78 Menschen – ein trauriger Rekord seit dem Beginn der „Small Boats“-Überfahrten im Jahr 2018. Schlauchboote, oft völlig überladen, sind das Mittel der Wahl. Doch sie bieten keinerlei Sicherheit.

Warum tun sie das?

Weil es für viele keine andere Möglichkeit gibt. Der Ärmelkanal ist zur letzten Hoffnung für Menschen geworden, die sich vor Kriegen, Verfolgung oder bitterer Armut retten wollen. Und trotz verschärfter Kontrollen, Abschreckungskampagnen und internationaler Abkommen setzen diese Menschen ihr Leben aufs Spiel. Jeden Tag.

Natürlich fragt man sich: Warum unternehmen die Regierungen nicht mehr? Aber die Wahrheit ist komplex. Frankreich und Großbritannien arbeiten durchaus zusammen, etwa durch gemeinsame Patrouillen. Und trotzdem – es reicht hinten und vorne nicht. Denn solange das Elend in den Herkunftsländern anhält, wird sich an den Fluchtbewegungen nichts ändern.

Eine politische und menschliche Sackgasse

Es ist ein Kreislauf: Je mehr Boote unterwegs sind, desto mehr Sicherheitsmaßnahmen werden ergriffen. Je gefährlicher die Überfahrt, desto größer die Notwendigkeit für Rettungseinsätze. Doch keine dieser Maßnahmen stoppt die verzweifelten Menschen.

Was fehlt, ist ein langfristiger Ansatz – mit fairen Asylverfahren, internationaler Kooperation und echten Perspektiven in den Herkunftsländern. Ein Ansatz, der sowohl Sicherheit garantiert als auch die Menschenwürde wahrt.

Was nun?

Solange dieser Balanceakt zwischen Menschlichkeit und Grenzschutz nicht gelingt, bleiben die Schlagzeilen voll von traurigen Zahlen und dramatischen Geschichten. Doch hinter jeder Zahl steht ein Mensch – mit Hoffnung, Angst und Mut. Und das sollte niemand vergessen.

Wird der Sommer, wie in den letzten Jahren, wieder zur Hochsaison der Überfahrten? Die Zeichen deuten darauf hin.

Doch die Frage, die bleibt, ist viel grundlegender: Wie viele Menschen müssen noch sterben, bevor sich etwas ändert?

Von Daniel Ivers

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